Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
Und was passiert dabei eigentlich im Körper?
Viel wurde in den letzten Jahren über das Schlafen und Träumen geschrieben, aber meistens ging es dabei um die experimentelle Erforschung von Details bekannter Hypothesen. Einen neuen Ansatz stellten 2008 der Schlafforscher James Krueger und Kollegen vor. Schlaf, so vermuten sie, ist kein Zustand des ganzen Organismus, der zentral ein- und ausgeschaltet wird, sondern ein lokales Phänomen. Einzelne Neuronengruppen fallen dann in Schlaf, wenn sie es für nötig halten, und die Entscheidung, wann das ganze Lebewesen sich hinlegt, wird quasi demokratisch getroffen. Manche Teile des Gehirns schlafen also bereits, wenn man sich müde fühlt, und dass es nach dem Aufwachen eine halbe Stunde dauern kann, bis alle wieder einsatzfähig sind, wird den meisten Lesern nicht neu sein. Für die selbständige Schlaf- und Aufwachfähigkeit einzelner Neuronengruppen sprechen Phänomene wie das Schlafwandeln und die Schlafgewohnheiten von Delphinen, bei denen sich die Gehirnhälften abwechselnd ausruhen. Wenn es eine zentrale Schlafsteuerung gäbe, sollten eigentlich auch Fälle bekannt sein, in denen Gehirnverletzungen zu einem Totalausfall der Schlaffähigkeit führen, das ist aber nicht der Fall. Wie viele Gehirnteile sich schlafen legen müssen, damit der Bewusstseinszustand insgesamt als Schlaf wahrgenommen wird, ist unklar und wird, so die Autoren, auch schwer experimentell herauszufinden sein. Abschließend heißt es: «Wir sind weit von jeder umfassenden molekularen oder genetischen Erklärung des Schlafs oder der technischen Details der lokalen Schlafregulation entfernt.»
Womit und warum schnurren Katzen?
Zum Forschungsstand von 2007 ist nur eine einzige Veröffentlichung über das Katzenschnurren hinzugekommen. Sie erschien 2009 und handelt vom unterschiedlichen Klang des zufriedenen Schnurrens und des «Hallo, hallo, ich hätte gern was zu essen, hallo, es eilt!»-Schnurrens. Auch Menschen ohne Katzenerfahrung können die beiden Geräusche unterscheiden, wenn sie ihnen im Experiment vorgespielt werden, und empfinden das Fütter-mich-Schnurren als unangenehmer und schwerer zu ignorieren. Die Forscher spekulieren, dass es sich um ein Geräuschspektrum aus der Mutter-Kind-Beziehung handelt, dessen artenübergreifendes Funktionieren sich Katzen im Zusammenleben mit dem Menschen zunutze machen. In den Danksagungen der Veröffentlichung sind Archie, Clyde, Fuzzy, Hippolythe, Marbles, Max, Mojo, Morgan, McKee, Pepo und Socks aufgeführt.
Warum werden manche Orte jahrelang von Tausendfüßler plagen heimgesucht, und wie wird man die Tiere wieder los?
In der bei Tausendfüßlern beliebten Gemeinde Röns in Vorarlberg war die Plage im Jahr 2008 «so stark wie noch nie». Der Vorarlberger Experte Klaus Zimmermann und sein Kollege Christian Ulrichs von der Humboldt-Universität Berlin stellten im Rahmen eines Pilotprojekts einen mit Diatomeenerde beschichteten Schutzzaun um das am stärksten befallene Grundstück auf. Der im «Lexikon des Unwissens» optimistisch angekündigte Wirkstoff sollte die Tausendfüßler austrocknen und zur Umkehr bewegen. «Ein Ende der Invasion ist in Sicht», berichtete Vorarlberg Online . 2010 aber hieß es im selben Magazin: «Die Tausendfüßler-Plage ist wieder in die Jagdberggemeinde Röns zurückgekehrt.» Auch anderswo auf der Welt, zum Beispiel in Nordwestschottland, Tasmanien und Teilen Australiens, litt man in den letzten Jahren heftig unter Tausendfüßlerbesuch. Auf den Erfinder eines funktionierenden Gegenmittels wartet also ausreichend dankbare Kundschaft.
Was genau geschieht eigentlich, wenn sich Tropfen bilden?
Die französischen Forscher Emmanuel Villermaux und Benjamin Bossa widmeten sich 2009 einem Thema, das in unserem Tropfenkapitel gar nicht zur Sprache kam: Warum haben nicht alle Regentropfen die gleiche Größe? Die Größenverteilung von Wassertropfen innerhalb eines Regenschauers war schon seit den 1940er Jahren bekannt und durch die Marshall-Palmer-Formel beschrieben. Bisher führte man die unterschiedlichen Tropfengrößen darauf zurück, dass die ursprünglich gleich großen Tropfen in der Luft zusammenstoßen. Villermaux und Bossa fanden unter Zuhilfenahme von Hochgeschwindigkeitskameras heraus, dass Kollisionen gar nicht nötig sind: Beim Erreichen einer kritischen Größe von etwa 6 Millimeter Durchmesser verformen sich die Tropfen fallschirmartig und zerplatzen. Unwissen ist manchmal so leicht zu finden und zu
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