Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
gestellt wurden. Zudem sorgte das Ende des Kalten Krieges dafür, dass das Interesse an sowjetischen Unterwasser-Stecknadeln stark nachließ.
Mehr als an Atom-U-Booten ist die Wissenschaft an den Geräuschen umfallender Unterwasserberge, ausbrechender Unterwasservulkane und umherschwimmender Unterwassersäugetiere interessiert. Buckelwale zum Beispiel, fand man heraus, kennen die SOFAR-Schicht schon seit Jahrtausenden und benutzen sie als praktisches Dosentelefon. Hat ein Wal der restlichen Walheit etwas mitzuteilen, schwimmt er hinunter zur Thermokline und singt in sie hinein. Gleichzeitig hört er dort die Botschaften anderer Wale weltweit, was die Thermokline zu einem weltumspannenden Internet für Wale macht. Damit dürfte auch klar sein, was die Bedeutung der noch immer nicht vollständig verstandenen Walgesänge ist: Chatkürzel wie LOL, ROFL und WTF werden wohl einen Großteil des Geräuschpegels dort ausmachen. Warum die Wale überhaupt singen, ist noch nicht endgültig geklärt, aber die wahrscheinlichste Antwort ist, dass die Walmänner die Walfrauen zu becircen versuchen. Darauf deutet die Beobachtung hin, dass männliche Buckelwale hauptsächlich während der Paarungszeit singen. Wenn dem so sein sollte, ist ASL (die Frage nach age, sex, location, also Alter, Geschlecht und Wohnort) ein weiteres häufig gehörtes Geräusch in der Schallschicht.
Interessanterweise sinkt seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1960er Jahren die Basisfrequenz der Walgesänge stetig – die Tiere singen jedes Jahr ein bisschen tiefer. Man könnte nun vermuten, dass die Wale damit der steigenden Lärmbelastung durch den zunehmenden Schiffsverkehr begegnen und gegen den Lärm der Schiffsschrauben auf Frequenzen anbrummen, in denen sie sich besser gegen den Menschenlärm durchsetzen können. Nur, sagt Mark McDonald – der Forscher, der die Verbassung der Wale 2009 öffentlich machte –, müssten die Tiere dann eher höher singen als tiefer, weil höhere Frequenzen sich unter Wasser besser ausbreiten. Schiffslärm scheidet als Ursache also eigentlich aus. Auch andere Erklärungen für den Walstimmbruch, wie etwa verändertes Balzverhalten oder die nach dem Fangstopp ansteigende Bevölkerungsdichte, können nicht überzeugen. Die Bassneigung der Tiere bleibt vorerst ein Rätsel.
Ebenso wie eine Reihe von anderen Geräuschen, die die Wissenschaft in den letzten Jahren mittels der Unterwasserohren aufgezeichnet hat. Diese Geräusche wurden von der zuhörenden Wetter- und Ozeanographiebehörde der USA (National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA) Upsweep, Julia, Train, Slowdown, Bloop und Whistle genannt, und ihre Herkunft ist samt und sonders ungeklärt. Neben Schiffen und singenden Walen gehören normalerweise Vulkanausbrüche und abrutschende Hänge am Meeresboden zu den lautesten und häufigsten Lärmproduzenten unter Wasser, aber das Frequenzprofil der Mystery-Geräusche passt auf keine der bekannten Quellen. Die verschiedenen Geräusche ähneln sich auch untereinander nicht, es hausen also vermutlich mindestens sechs unbekannte Dinge unter Wasser, die Geräusche von sich geben.
Das mit Abstand aufregendste dieser Geräusche ist der Bloop. Bloop wurde 1997 mehrfach von der NOAA aufgenommen, dauert ungefähr eine Minute und klingt, wenn man ihn aufs Sechzehnfache beschleunigt abspielt, wie ein recht unspektakuläres Blubbgeräusch. Unspektakulär ist dieser Blubb allerdings nur, wenn man nicht weiß, dass dieses Geräusch über den gesamten Pazifik hinweg zu hören war. Der Bloop ist um ein Mehrfaches lauter als der Blauwal, das – abgesehen von Menschen mit Gitarrenverstärkern – lauteste bekannte Tier, klingt aber ansonsten durchaus, als sei es von einem Lebewesen erzeugt. Christopher Fox, der bei der NOAA zuständige Forscher, hält prinzipiell auch für möglich, dass das Blubbern etwa durch in der Antarktis kalbende Eisberge verursacht wird. Fox neigt aber, aufgrund der Struktur des Geräusches und seiner Ähnlichkeit mit bekannten Tierlauten, dennoch dazu, in der Tiefsee lebende, bislang nicht entdeckte Tiere für die wahrscheinlichsten Urheber zu halten. Diese unbekannten Tiere müssten dann allerdings, wegen der enormen Lautstärke des Bloop, größer sein als das größte bislang bekannte Tier, der Blauwal. Und weil riesige Unterwassermonster die Phantasie kräftig anregen, kam der Bloop auch schon mehrfach in der Unterhaltungsliteratur vor. Zum Beispiel in Frank Schätzings Bestseller «Der Schwarm»,
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