Das neue Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (German Edition)
übertönt. Beziehungsweise überstrahlt.
ARCADE 2 ist in seinem Wellenlängenbereich zwar empfindlicher als alle Vorgängerinstrumente, kann aber nicht besonders gut feststellen, aus welcher Richtung die Strahlung kommt. Die Antennen befanden sich bei der Messung in einer Art Badewanne, 2,40 Meter hoch und 1,50 Meter im Durchmesser, gefüllt mit minus 270 Grad Celsius kaltem Helium. Die Antennen registrieren die ganze Zeit Strahlung aus einem großen Himmelsbereich und können nur ermitteln, wie viel Radiostrahlung das Universum insgesamt abgibt, nicht, wer im Einzelnen an dieser Schweinerei schuld ist. Insgesamt sah sich das Radioteleskop 7 Prozent des gesamten Himmels an, überall war das Ergebnis gleich: Der größte Teil der empfangenen Radiostrahlung muss von unbekannten Quellen kommen.
Nur woher? Kogut und sein Team betrachteten erst einmal ein Jahr lang ihre Daten und vergewisserten sich, dass sie nicht irgendeinen blöden Fehler gemacht hatten. Als sie die Meldung vom Space Roar schließlich der Fachwelt präsentierten, konnten sie zwar eine lange Liste möglicher Ursachen ausschließen, aber was tatsächlich dahintersteckt, wissen sie nicht. ARCADE 2 flog nicht über starkbesiedelten Regionen, und die große Flughöhe stellt einigermaßen sicher, dass Radiostrahlung vom Erdboden das Gerät nicht verwirrt. Ebenfalls ausgeschlossen ist ein Ursprung im Instrument selbst, in der Erdatmosphäre, dem Sonnensystem und in der Milchstraße. Ein gutes Argument hierfür ist vor allem, dass der Space Roar gleichmäßig aus allen Richtungen kommt, die ARCADE 2 untersucht hat, während die meisten anderen möglichen Quellen unregelmäßig verteilt sind. Es bleibt kaum eine andere Möglichkeit, als den Ursprung des Space Roar irgendwo tief im All zu vermuten. Die mysteriösen Radioquellen müssen überall sein.
Der Space Roar wird bei langen Wellenlängen stärker, was charakteristisch ist für Synchrotronstrahlung und andere Mechanismen weitestgehend ausschließt. Das ist immerhin eine wichtige Information. Man muss also nach Quellen mit starken Magnetfeldern und schnellen Elektronen suchen. Der Space Roar könnte zum Beispiel von vielen Milliarden gewöhnlicher Galaxien stammen, in denen gerade in großem Maßstab Sterne fabriziert werden, viel mehr, als man bisher dort draußen vermutete. Galaxien verfügen über riesige Magnetfelder, produziert von Sternleichen, und über massenhaft Teilchen, die von den Magnetfeldern eingefangen werden und Radiostrahlung abgeben können. Die Eigenschaften des Space Roar passen ganz gut zu diesem Szenario, aber es gibt ein Problem: Gewöhnliche Galaxien enthalten große Mengen Staub, der überall quer durch die Galaxie verstreut ist. Dieser Staub wird durch Sterne aufgeheizt und strahlt deshalb, und zwar im infraroten Teil des elektromagnetischen Spektrums. Je mehr Sterne eine Galaxie produziert, desto mehr Radiostrahlung sondert sie ab und desto heller ist sie auch im Infraroten – so glaubt man bisher jedenfalls. Wenn der Space Roar von normalen Galaxien stammt, dann wirft er diese Relation über den Haufen. «Das, was für das Radiosignal verantwortlich ist, produziert nicht viel Infrarotstrahlung», so Kogut.
Das heißt noch nichts. Die für den Space Roar verantwortlichen Galaxien wären viel weiter weg als die Sorte Galaxien, an denen wir den Zusammenhang zwischen Radio- und Infrarotstrahlung bisher getestet haben. Damit wären sie auch ein paar Milliarden Jahre jünger, weil wir ja ihre Vergangenheit sehen. Vielleicht produzierten diese jungen Galaxien damals aus irgendeinem Grund mehr Radiostrahlung als erwartet. Man hat schon von seltsameren Dingen gehört, speziell im Zusammenhang mit dem Universum.
Alan Kogut bevorzugt jedoch eine andere Erklärung für den Space Roar: Für ihn kommt das Rauschen aus einer Zeit, in der es noch überhaupt keinen Staub im Weltall gab.
Eins haben unordentliche Wohnungen und das Universum gemeinsam – es dauert eine Weile, bis alles verstaubt ist. Staub besteht aus Elementen wie Silizium, Sauerstoff, Kohlenstoff, die im Innern von Sternen entstehen und bei deren Tod im Weltall verbreitet werden. Man braucht erst einmal Sterne, um Staub zu produzieren. Am Anfang war das Universum staubfrei.
Kogut spekuliert daher folgendermaßen: Wenn die allerersten Sterne nach nur wenigen Millionen Jahren sterben, dann hinterlassen sie Schwarze Löcher. Zwar kann daraus kein Licht mehr entkommen. Ein Schwarzes Loch wirkt aber gleichzeitig wie ein
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