Das neue Philosophenportal
Jahr 347. Möglicherweise spielte dabei die Tatsache eine Rolle, dass nicht er, sondern Platons Neffe Speusipp zum Leiter der Akademie
bestimmt wurde. Wichtiger für seinen Entschluss waren aber sicherlich die Anfeindungen der Athener, die in ihm den »Makedonier«
sahen, was zu diesem Zeitpunkt nichts Gutes bedeutete. 348 hatten die Makedonier Olynth erobert, eine mit Athen verbündete
Stadt, und bedrohten nun auch den Süden Griechenlands.
Angesichts des vergifteten Klimas verließ Aristoteles Athen undging nach Kleinasien zurück. Er betrachtete sich noch als Platoniker, doch seine Forschungsinteressen unterschieden sich bereits
von denen der Akademie: Nicht abstrakte mathematische Studien, sondern Beobachtungen der Natur standen für ihn im Mittelpunkt.
Die Welt der sinnlich wahrnehmbaren Dinge hatte für ihn einen höheren Stellenwert als für seinen Lehrer Platon.
Etwa im Jahr 343 holte ihn sein Jugendfreund Philipp, inzwischen makedonischer König, als Erzieher seines Sohnes, des späteren
Alexander des Großen, nach Makedonien zurück. Bei dieser Aufgabe blieb ihm aber offenbar noch genügend Zeit, seine Forschungen
weiter zu betreiben und sich einen Namen in der Gelehrtenwelt Griechenlands zu machen.
Nachdem Athen unter makedonische Herrschaft gefallen war, kehrte Aristoteles unter dem Schutz des makedonischen Königshauses
335 dorthin zurück und gründete mit seinem Freund und späteren Nachfolger Theophrast eine eigene Philosophenschule. Sie ging
nach seinem Tod, in Anspielung auf die Wandelgänge des Gebäudes, als »Peripatos« (griech. »peripatein« = »umherwandeln«) in
die Philosophiegeschichte ein. Die peripatetische Schule lehrte und verbreitete von nun an – als Konkurrenzunternehmen zur
Akademie – die aristotelische Philosophie.
Allerdings war es Aristoteles nicht vergönnt, sein Leben im Umkreis des Peripatos zu beschließen. Mit dem Tod Alexanders 323
und der Lockerung der makedonischen Herrschaft wachten auch die antimakedonischen Ressentiments in Athen wieder auf. Als makedonischer
Günstling bekam Aristoteles sofort zu spüren, dass sich der Wind gedreht hatte. Man klagte ihn wegen Untergrabung des Götterglaubens
an, eine Anklage, die man einige Jahrzehnte vorher bereits gegen Sokrates, den Lehrer Platons, erhoben und die zum Todesurteil
geführt hatte. Aristoteles hatte kein Interesse daran, das Schicksal des Sokrates zu teilen, und er flüchtete aus Athen mit
dem Hinweis, er wolle den Athenern keine Gelegenheit geben, sich zum zweiten Mal an der Philosophie zu vergehen. Er zog sich
auf ein von seiner Mutter ererbtes Gut auf der Insel Euböa zurück, wo er im Oktober des Jahres 322 starb.
Als Lehrer des Peripatos schrieb Aristoteles an jenen Manuskripten weiter, die uns heute in Gestalt der
Metaphysik
vorliegen und die, so weit wir wissen, nie vollendet wurden. Man merkt ihrem trockenen und nüchternen Stil an, dass sie für
den Lehrbetrieb entstanden sind, in dem der Dozent sich immer wieder mit der Tradition auseinandersetzt und wichtige Thesen
in verschiedenen Zusammenhängen wiederholt. Anders als bei Platon, dessen Akademievorträge verloren gegangen, aber dessen
für das allgemeine Publikum verfasste Schriften erhalten sind, besitzen wir keines von Aristoteles’ populären, »offiziell«
veröffentlichten Büchern mehr. Deshalb ist es etwas unfair, den »dichterischen« Charakter der Dialoge Platons gegenüber den
nüchtern argumentierenden Schriften des Aristoteles hervorzuheben.
Die
Metaphysik
ist also kein einheitliches Buch, sondern ein Konvolut von Vorlesungsnotizen. Erst Andronikos von Rhodos machte sich im 1. Jahrhundert n. Chr. daran, die zeitweise verschollenen Manuskripte des Aristoteles zu Werken zusammenzustellen. Dabei ging es nicht unbedingt
immer nach den Regeln der heutigen wissenschaftlichen Philologie zu. So wissen wir, dass das 11. Buch (in der Antike wurden die Kapitel häufig als »Bücher« bezeichnet) einen ganz anderen Verfasser hat und irrtümlich in
die
Metaphysik
hineingerutscht ist. Andronikos ist auch verantwortlich für den Titel »Metaphysik« (wörtl. »nach« oder »hinter der Physik«),
der entweder bedeuten kann, dass die
Metaphysik
in der Reihenfolge der aristotelischen Werke hinter die
Physik
eingeordnet wurde, oder auch, dass in ihm Themen behandelt werden, die die Physik, d. h. die Naturwissenschaft und Naturphilosophie, übersteigen.
Der Leser der
Metaphysik
sollte
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