Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
ihn stark erhofft, freudig begrüßt und dann die zwanghaften Mitarbeiter mitreißt. Das geschieht fast
nie
!
Es liegt daran, dass Großunternehmen mit wachsender Größe ein Hort der Stabilität und der zuverlässigen Prozesse werden. Sie werden zu einem Sammelbecken von neuen Mitarbeitern, die gesicherte Normalarbeitsplätze suchen – ohne Risiko, ohne Überraschungen. Großunternehmen stellen also vorrangig Zwanghafte ein, keine Abenteurer, Unternehmer, Querdenker, Erfinder, Forscher oder Weltverbesserer. Sie wollen Mitarbeiter, die voraussehbar funktionieren. Wenn die Unternehmen eine gewisse Größe überschreiten, werden sie also gesamtkulturell zwanghaft. Fast alle! Dann aber lehnen sie innerlich jeden Wandel ab. Die Strukturen verkrusten.
Predigten helfen nicht mehr. Die klingen so, wie ich es in der folgenden Auflistung dargestellt habe: »Seid nicht so – sondern so!« Im Grunde predigt man »Seid hysterisch, nicht zwanghaft!«:
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Sie haben es in der Gegenüberstellung schon gelesen, aber ich möchte einen Punkt daraus prominent wiederholen (»stressen«!):
Betriebswirtschaftslehre ist eine durch und durch zwanghafte Wissenschaft.
Es gibt noch kein hysterisches Pendant zur Betriebswirtschaftslehre, oder? Vielleicht Entrepreneurship? Dieses Fach gibt es an manchen Universitäten schon, aber die Vorlesungen sollten dann lieber von »hysterischen« Entrepreneuren gehalten werden, nicht von »zwanghaften Wirtschaftswissenschaftlern«, die den Menschen als rationalen Homo Oeconomicus ansehen, also auch als zwanghaft vernünftig und berechnend. Haben Sie schon einmal eine ernsthafte Erörterung gesehen, dass ein den Nutzen optimierender Homo Oeconomicus innovativ ist oder sich langweilt?
INNOVATION TRIFFT AUF RESISTENZEN UND IMMUNREAKTIONEN
Über Immunsysteme und »Never Change a Winning Team«
Was erfolgreich ist, soll natürlich Bestand haben. Wenn eine Mannschaft im Sport mehrmals hintereinander gewinnt, lässt man sie besser unverändert. Manchmal ist im Sport der Mannschaftsbeste einige Zeit verletzt – und er kommt mitten in einer Siegesserie gesund wieder. Soll man ihn einsetzen? Doch lieber nicht! Da gibt es Krach, weil er auf seine Rechte und Fähigkeiten pocht …
Dieses Prinzip gibt es auch als andere Variante bei Rechenzentren, die komplexe IT-Systeme betreiben. Sie sagen immer: »
Never change a running system«.
Das kennen Sie sicher von Ihren Smartphones und Computern, oder? Dass plötzlich vieles nicht mehr funktioniert, weil Sie eine »deutlich bessere« neue Version einer Software installiert haben, die sich nun als »leider nicht voll kompatibel zum alten System« herausstellt.
Wenn alles gut klappt, lassen wir es so, wie es bisher gut funktionierte. Das ist ein vollkommen vernünftiges Prinzip, besonders für die Zwanghaften! Die Hysterischen langweilen sich aber und wollen wieder und wieder einmal etwas Neues probieren. Einfach so! Das macht die Bewahrer böse, weil sie wissen, dass bei Veränderungen immer wieder kleine oder große Unglücke passieren können. Sie reagieren deshalb mehr oder weniger allergisch gegen neue Vorschläge.
Pinchot spricht in seinem Buch
Intrapreneuring
(1985 erschienen) auch schon kurz über den Umgang mit dem »Corporate Immune System«. Wer etwas in einem System bewegen will, darf den Bewahrerndes Systems nicht als Störenfried oder gar als Feind auffallen. Wenn das nämlich passiert, bemüht sich das System, die Störungen zu beseitigen und Feinde zu besiegen. Pinchot riet uns damals immer eindringlich:
»Work underground as long as you can«
(»Arbeite im Verborgenen, solange es geht«).
Oh, das wusste ich selbst früher nicht! Meine eigenen Innovationen habe ich, bevor ich diesen Rat hörte, immer gleich begeistert in der übrigen Welt propagiert – und zwar so triumphierend über das »olle Alte«, dass ich die Abwehrkräfte des Systems aktivierte und dann irgendwie wieder ins Glied gestellt wurde.
Gute Systeme sind hoch effizient designt und funktionieren wie am Schnürchen, alles erledigt sich absolut perfekt und zuverlässig, ein Rädchen greift ins andere. Je besser ein System funktioniert, umso problematischer wirkt eine Veränderung. Wenn in einem rigorosen System etwas nicht wie vorgesehen funktioniert, nimmt es die Angelegenheit nicht als Veränderung wahr, sondern als »Ausnahme«, die nicht sein darf. Ausnahmen sind ein Ausdruck für Unordnung. Da setzt in einem System sofort »exception handling« ein. »Wer hat
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