Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
Unternehmenskommunikation. Die Kollegen dort sind nicht unwillig, haben aber wichtige Aufgaben, die sich mit der Verbreitung besonders der schrägen neuen Ideen beißen. Jeder Innovator muss sich also ernsthaft »vor den Spiegel stellen« und sich fragen: Hat er etwas zu präsentieren (und kann er es zündend), was den Stern des gesamten Unternehmens heller strahlen lässt oder nicht? Ist die angedachte Innovation wirklich und wahrhaftig gut für das Unternehmen? Ja oder nein. Geben Sie sich bitte große Mühe mit der Antwort. Sie können viel dabei lernen, warum Sie das alles tun – vielleicht, um selbst einmal mit einer neuen Idee bedeutend zu sein? Bewundert zu werden? Karriere zu machen? Dagegen ist dann das System wirklich resistent und
muss
Sie fast wie ein schädliches Bakterium vernichten. Stellen Sie sich bitte einmal die genannteGretchenfrage. Wenn die Antwort nicht ein klares Ja ist, gerät alles Folgende zu reiner Energieverschwendung und wird mit einer Enttäuschung enden.
Wie gefeit muss das Immunsystem eines Unternehmens gegen Neues sein? Die IBM hat große und für ihre neuen Ideen berühmte Forschungszentren. Es macht wirklich stolz, dort zu arbeiten. Ich weiß das noch, ich war lange Zeit im Wissenschaftlichen Zentrum in Heidelberg tätig. Wir hatten es geradezu als Aufgabe, mit neuen Ideen in der Öffentlichkeit aufzutreten und auch mit ungewöhnlichen Konzepten immer wieder zu zeigen, dass IBM fast in allen Lebensbereichen an der vordersten Front mitdenkt. Wir konnten daher fast jede wirklich neue Idee so darstellen, dass wir unseren Auftrag im Sinne des ganzen Unternehmens erfüllten. Die Forschungslabore waren nicht abgeschottet für Geheimentwicklungen, sondern sie hatten eine wichtige Öffentlichkeitsfunktion. Ich habe es immer als sehr befreiend empfunden, dass die IBM eben kein so starkes Immunsystem aufgebaut hat. Ich wurde immer wieder gefragt: »Waaaas, das dürft ihr?« Ich habe bekanntlich viele Bücher geschrieben, die an verschiedenen Stellen Fundamentalkritik am Bildungssystem oder am Shareholder-Value-Management üben. »Waaaas, das darf man bei euch? Wir würden glatt gefeuert, und dich machen sie zum CTO.« Ein Unternehmen muss sich sehr gut überlegen, wie stark sein Immunsystem sein soll. Es gibt da große Bandbreiten – ich komme im Verlauf des Buches darauf zurück.
Der Irrlauf durch Schwarzer-Peter-Meetings – ein Flyer muss her!
Innovatoren brauchen im Unternehmen Unterstützung. Dazu wenden sie sich natürlich auch an ihren Vorgesetzten. Der stöhnt wahrscheinlich, dass ein Mitarbeiter wieder einmal eine neue Idee hat und dann wahrscheinlich nicht zu 100 Prozent an seinen Aufgaben arbeitet. Der Vorgesetzte fühlt (zu Recht), dass er persönlich einen Teil der Zeche bezahlen muss. Eine Innovation verschlingt ja Ressourcen. Und wenn ein Mitarbeiter seiner Abteilung einen Teil seiner Zeit einerInnovation widmet, senkt es den Erfolg der Abteilung im laufenden Geschäft. Damit aber gefährdet die Innovation die Gehaltserhöhung des Vorgesetzten, der ja auch wieder ein Ziel oder eine Quote hat. Mit diesem Sachverhalt gehen die wenigsten Erfinder sensibel um. »Der Vorstandsvorsitzende hat gesagt, wir sollen erfinden, weil es gut für das Ganze ist, basta! Genau das tue ich, im Gegensatz zu euch. Jetzt erwarte ich, dass mir mein Vorgesetzter freie Bahn verschafft!«
Das tut er nur, wenn er sich selbst ethisch verpflichtet fühlt und für das Ganze agiert. Der Regelfall ist das nicht, auch nicht für den Erfinder, der oft auch nicht für das Ganze arbeitet, sondern für seinen Ruhm und seine Gehaltserhöhung. Dann aber riecht der Vorgesetzte den Braten, dass er mit seiner drohenden Gehaltserhöhungssenkung eine Gehaltserhöhung beim Erfinder finanzieren soll. Da blockt er.
Er darf aber offiziell nicht blocken, weil das Unternehmen ja Innovation im Prinzip fördern will. Da kommt er immer auf die gute Idee, wiederum seinen eigenen Vorgesetzten um Unterstützung zu bitten. »Bitte hören Sie sich die geplante Innovation einmal an. Ich finde sie ganz okay, wir (beachte: wir!) müssten irgendwann einmal beschließen, ob Sie (beachte: Sie!) da investieren wollen.«
Der Hauptabteilungsleiter hat in der Regel keine Lust »auf Erfinder«, weil er sich von Erfindern immer subjektiv bedrängt fühlt und es gewohnt ist, dass sie in ihren Erklärungen immer Vorkenntnisse über schwierige technische Details voraussetzen, die er nicht hat. Er weiß, dass wieder einmal eine quälende
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