Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
Zeiten, in denen die Marketingmitarbeiter einfach die allgemeine Aufgabe hatten, viel Werbung unter die Menschen zu streuen, Prospekte zu entwerfen und zu verteilen, Messestände zu betreiben und für eigenwerbende Konferenzreden zu sorgen. In letzter Zeit überlegt man zusätzlich fieberhaft, wie entsprechende Aktivitäten auf Facebook oder allgemein in den »Social Media« aussehen könnten. Alle sollen das Unternehmen und seine Produkte »liken«.
Die Aufgaben der Marketingabteilungen sind beim überhandnehmenden Zahlenmanagement in Verdacht geraten, »kein Geld zu verdienen«und »nur fragwürdige Geschenke an Kunden zu verteilen«. Was bringt denn Marketing überhaupt? Diese Frage (»Was bringt es?«) hat das Management in den letzten Jahren an jeden Bereich eines Unternehmens gerichtet, auch an die Forschungsabteilungen und die Kommunikationsbereiche, deren direkter Profitbeitrag schwer messbar ist. Bei Verkäufern ist es einfacher: Man berechnet, wie viel Rohgewinn seine Abschlüsse erzielen und zieht sein Gehalt davon ab.
Was aber leistet ein Unternehmensblogger, ein Pressesprecher oder ein Messestandvertreter? Für diese Berufe sind in den letzten Jahren Erfolgskriterien entwickelt worden, anhand derer sie gemessen werden: Anzahl der Leser, Höhe des Bekanntheitsgrades der Firma, Anzahl der Messebesucher oder Zuhörer bei Reden, die Note der Kunden auf Bewertungsbögen für Marketingveranstaltungen. »Bitte sagen Sie uns, dass Sie uns gut fanden. Wir wollen daraus lernen und immer besser für Sie werden.« Das sagen alle Konferenzveranstalter – und das stimmt nur zum Teil, denn eigentlich dienen die Daten ihrem Chef als Beurteilungsgrundlage, wie gut sie als Event-Organisatoren gearbeitet haben. Je nachdem wertet er eine Veranstaltung als Erfolg oder nicht. Alle »Erfolgsdaten« werden in einem Erfolgsbericht festgehalten und in Managementmeetings präsentiert. Dann befinden die anderen, unter höchstem Quartalsdruck stehenden Manager immer noch mäkelig, dass die Marketingabteilung »zu viel Geld verbrenne«. Und sie fragen: »Geht es nicht billiger? Mit weniger Personen? Was kann man einsparen?«
Ein Innovator muss wissen, dass auch die Marketingfachleute unter gewaltigem Druck stehen und ebenso ihre Quoten haben. Er muss also versuchen, ihre Hilfe so zu bekommen, dass seine Marketingkollegen durch ihn Pluspunkte in ihrer Erfolgsbilanz erzielen können. Wenn er dies erreicht, arbeitet er ja quasi als ehrenamtlicher und unbezahlter Zusatzmitarbeiter im Marketing mit – dann ist er hochwillkommen. Wenn aber zu befürchten steht, dass seine Idee keine Pluspunkte erzielen wird, wimmeln ihn die Marketingleute ab.
Ideen, die näher an den normalen Marketingkampagnen des Unternehmens angesiedelt sind, passen besser zum Gesamtbild und haben eine bessere Chance. Um immer wieder mein Universalbeispiel der Optimierung zu bemühen: Marketing der IBM für Tourenplanungmag die Zentrale nicht wirklich, aber bei der Optimierung der IT-Netze sieht sie mehr Potenzial. Wenn also die Idee des Innovators nicht gut in ein Ganzes passt, wenn sie quer erscheint, ungewöhnlich oder revolutionär, dann fassen die Marketing- und Kommunikationsabteilungen die neue Idee nicht an. Sie haben ja die Funktion, das Image, das Gesamtbild und die »Message« der Unternehmensleistungen in der Öffentlichkeit und bei den Kunden in strahlendem Licht erscheinen zu lassen. Wenn ein Innovator mit seiner Idee dieses Licht trüben könnte, wird er nicht nur nicht gefördert, sondern gehemmt. »Es stört die Gesamtstrategie! Wir verkaufen gerade das Traditionsprodukt X. Machen Sie uns jetzt nicht unsere Stammkunden kirre, wenn Sie neue und noch unausgereifte Konzepte in den Diskussionsraum stellen. Wir stehen an vielen Stellen vor Geschäftsabschlüssen und wollen die Aufmerksamkeit der Kunden nicht ablenken.« Marketing und Kommunikation
müssen
ein gewisses Immunsystem gegen Störungen aufbauen und in Funktion halten.
Das ergrimmt die Innovatoren in der Regel sehr. Zu Unrecht – das Geschäft muss doch laufen! So sind eben die Regeln! Punkt. Wer als Innovator seine Ideen propagiert sehen möchte, muss eben unter diesen Restriktionen etwas Attraktives schaffen – oder den Versuch mit der Marketingabteilung einstellen, bis ein ausgereifteres Konzept oder gar ein Produkt zum Vorzeigen verfügbar ist. Wenn Sie eine neue Idee haben und vertröstet werden, dann denken Sie bitte an die wichtige primäre Aufgabe des Marketings und der
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