Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
meiner Quote verkaufen soll. Das geht aber nicht, denn ich bekomme doch gar nicht so viele Termine. Ich fordere, dass wir nur sehr wenige, aber tolle und leicht verkäufliche Produkte anbieten, aber das Unternehmen schüttet mich endlos mit schwer erklärbarem Sonderquatsch zu und verlangt, damit Zusatzumsatz zu machen. Und nun wird alles noch getoppt: Jetzt soll ich auch noch die Erfinder mitnehmen, damit sie demKunden etwas anbieten. Diese kreativen Leute kenn ich, die hab ich gefressen. Die versauen mir die Kunden. Die einen Rumpuzzler reden unverständliches Zeug, die anderen Tagträumer behaupten, sie könnten in zwei oder zehn Jahren bessere Produkte liefern als die, die der Kunde gerade gerne kaufen will. Diese Leute kommen mir nicht mehr ins Gehege! Ich lösche alle Informationen über Neues aus meiner Mail. Man kann nichts davon verkaufen.«
Es fehlt also die Zeit, und die Verkäufer haben keine guten Erfahrungen mit »Innovationen« und »Innovatoren« (höhnische Anführungszeichen). Die Verkäufer können es aber nicht gut ablehnen, den Erfindern zu helfen, weil das Unternehmen es »von oben« irgendwie will. Daraufhin fordern sie, dass sie die Verkäufe der neuen Erfindungen wenigstens auf ihre unmenschlich hohe Quote angerechnet bekommen. Sie bekommen nämlich ihren Bonus nur, wenn sie vorgeschriebene Produkte verkaufen, und auf dieser Liste stehen die des Erfinders nicht drauf. Wenn sie also etwas Neues wie gefordert zusätzlich verkaufen, wollen sie über ihren Bonus auch partizipieren.
Das hält der Erfinder selbst für eine gute Idee, er interveniert über den Vertriebschef, dass »seine« Umsätze beim Bonus angerechnet werden.
Jetzt kommt es zu einer normalen Katastrophe in zwei Teilen. Sie entsteht durch das Missverständnis im Vertrieb, dass sich die Innovation wirklich schon verkaufen ließe. So weit ist sie aber noch nicht! Es gibt noch nichts zu verkaufen! Das ist jetzt noch nicht schlimm, weil es ja nichts ausmacht, wenn dem Verkäufer nur die Innovation zusätzlich angerechnet wird. So bleibt seine Lage ja noch die gleiche. Aber: Der Vertriebschef hat daraufhin fast immer eine noch viel bessere Idee. Er verpflichtet die Verkäufer
zusätzlich
zum Verkaufen der neuen Erfindung und erhöht damit deren Quote. Der Vertriebschef argumentiert so: Die Innovation bedeutet ein Zusatzprodukt. Also kann der Verkäufer mehr anbieten als vorher. Deshalb hat er plötzlich die tolle Chance, mehr Umsatz zu machen – und zwar nicht deshalb, weil er besser gearbeitet hätte, sondern weil ihm das Unternehmen mit der Innovation so viel mehr Chancen bietet.
Nun ist der Verkäufer richtig böse. Er hat eine höhere Quote und muss sich jetzt ernsthaft um das Neue kümmern. Wie verkauft er es? Nun fragt er den Erfinder, der doch eigentlich nur Feedback auf seineIdeen haben will, wie viel sein »Produkt« kostet, wann es lieferbar ist, welche Produktnummer es hat und so weiter. Da gesteht der Erfinder langsam ein, dass der Prototyp »noch nicht ganz fertig ist«. Das wussten die alten Hasen sowieso … Fazit: Der Verkäufer hat eine höhere Quote, aber
keine
höhere Chance. Implizit ist sein Gehalt gesenkt worden! Wutschnaubend herrscht er den Erfinder an, der ihm das alles eingebrockt hat, und erklärt es nochmals seinem Vertriebschef, damit der die Quote wieder senkt. Leider jammern Verkäufer immer, dass ihre Quote gesenkt werden soll. Deshalb ist ein Vertriebschef immun gegen Quotensenkungsargumente. Sie machen ihn ungeduldig und böse.
Verkäufer verkaufen am liebsten Bewährtes, was kaum erklärt werden muss. In Bezug auf Innovationen sind sie tendenziell CloseMinds.
Wodurch entsteht diese missliche Lage? Wenn der Vertrieb helfen soll, kommt die Erfindung in die Schieflage, sich als fertiges Produkt präsentieren zu müssen. Sie wird vorschnell mit »Zusatzumsatz« in Verbindung gebracht. Das muss ein Innovator absolut vermeiden. Verkauft wird erst, wenn das Produkt fertig ist! In diesem Punkt sollten sich Erfinder und Innovatoren nicht beirren lassen. Sie sollten sehr klar sagen, dass sie nur deshalb zum Kunden wollen, um dessen Reaktion auf seine Neuerung zu erfahren und zu lernen, was dem Prototyp aus Sicht eines OpenMinds noch fehlt. Er muss mit den Verkäufern die OpenMind-Kunden sorgfältig auswählen und dann nur diejenigen davon besuchen, die sich voraussichtlich für seine Neuerung interessieren. Dort muss er interessant sprechen und begeistern und nebenbei sehr gut zuhören. Sehr, sehr gut
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