Das Neue und seine Feinde - wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen
zuhören. Die meisten Erfinder aber bekommen endlich einen Termin und »texten den Kunden zu«, sie überfordern ihn, sind zu kompliziert, erklären schlecht, enttäuschen den Kunden und hören eben nicht zu. Man kann von Kunden so viel erfahren, so viel lernen! Es ist relativ selten, dass Erfinder sich wirklich Mühe geben, dass neue Land vor ihnen wirklich zu erkunden. Sie verstehen nicht, dass sie wieder einmal wie ein Flachländer naiv unkundig ins Gebirge gehen. Der Kunde schüttelt dann bei der Vorstellung der neuen Idee immer wieder mit dem Kopf und sagt, bei ihm gebe es andere Realitäten oder offenbar fehle es dem Erfinder an Branchen-Know-how. Oder im Gebirgsbild ausgedrückt: Der Kunde siehtdie Realität schon in drei Dimensionen, der Erfinder noch in zweien, weshalb er als Flachländer noch alles einfacher findet, als es ist. Wenn der Erfinder noch halbblind für die Realität zum Kunden kommt, aber gleichzeitig durch hohes Selbstbewusstsein und Überlegenheitsgefühl nebst Doktortitel beeindruckt, blamiert er sich dort bis auf die Knochen. Dann aber schämt sich der beim Termin anwesende Vertriebsbeauftragte der Firma, flucht innerlich, dass sein schöner seltener Termin versaut wurde und warnt nach dem Fiasko alle seine Kollegen im Vertrieb davor, »diesen da« zum Kunden mitzunehmen.
Und ein letztes Problem, das nicht weniger hart ist: Oft handelt es sich bei einer Innovation um eine Erfindung, die eigentlich an
ganz andere
Kunden verkauft werden muss. Und dann? Ich greife auf das Beispiel der Tourenplanung zurück. Wir baten damals die IBM, uns eben zum Kunden mitzunehmen. IBM vertreibt aber IT und eben
nicht
Tourenplanung. »Der Kunde« der IBM ist daher in der Regel der IT-Manager eines Kundenunternehmens. Der interessiert sich nicht für Tourenplanung und hat auch keine Ahnung davon. Er will sie nicht kaufen und bestimmt nicht lange darüber bei einem persönlichen Termin diskutieren. Es hat also eigentlich keinen Zweck, zum Kunden mitgenommen zu werden. Der Vertrieb von IBM kann höchstens fragen, ob im Kundenunternehmen ein Fuhrpark- oder Logistikmanager bekannt ist. Da aber weiß der IT-Manager beim Kunden fast nie weiter
… Und stellen Sie sich vor, irgendein Mensch auf der Welt hätte 1995 plötzlich den Wunsch verspürt, Tourenplanungssoftware zu kaufen, ja – hätte der ausgerechnet bei mir in Heidelberg angerufen? Wer also Ideen hat, die neue Kunden anziehen sollen, muss sich überlegen, wie er an diese neue Gruppe herankommt. Wie bekommt man die neuen Kontakte, welcher Typ des neuen Kunden kann am besten durch Feedback weiterhelfen? Wie wird die spätere Vermarktung vorangetrieben? Die Folgeprobleme lassen sich schon erahnen: Diese neuen Kunden haben vielleicht gar keinen zuständigen Vertriebsbeauftragten, es wird Organisationsprobleme mit einem Produkt für neue Kundenkreise geben, lange interne Diskussionen, wer wofür zuständig ist und wer wie hohe Vertriebsboni bekommt. Da steht der Innovator vor der grundsätzlichen Frage, ob er das wohl stemmen kann … Wir haben das damals lange hin und her erwogen und schließlichdie Optimierung der Touren auf das Optimieren der gemieteten Datenleitungen von Unternehmen verlagert. Oder, hart gesagt: Die Tourenplanung wurde beerdigt. Wir konzentrierten uns auf ein anderes Problem: Welches Datenautobahnnetzwerk muss man bei einer Telekom anmieten, sodass die geringsten Kosten anfallen? Wie mietet man die Leitungen strategisch günstig über die Zeit, wenn die Datenmengen immer weiter wachsen? Dieses Problem hat der IT-Chef jedes Unternehmens selbst. Da konnten wir zu ihm als Kunden mitkommen. Damit begeisterten wir sogar die alten Hasen im Vertrieb. »Schau mal, Kunde«, konnten sie zu ihrem Kunden sagen, »da haben wir etwas Exquisites, mit dem du viel Geld sparen und dafür mehr Computer kaufen kannst.« Das lief prächtig, denn der Vertrieb konnte seinem Kunden mit uns einen Gefallen tun. Dadurch bekam
er
selbst
mehr
Termine als ohne uns. Wir stellten also wegen des Vertriebsproblems unser Produkt so um, dass es überhaupt zum Kunden kam. Das war erfolgreich, hat aber auch dem Erfinderherzen wehgetan. Echte Innovatoren hätten sich wohl
nur
gefreut. So weit bin ich selbst heute immer noch nicht – ich trauere bei Ideenbegräbnissen!
Resistenzen von Marketing und Communication gegen Ungewöhnliches
Marketingleute fokussieren sich ebenfalls wie alle anderen Berufstätigen darauf, ihren Job zu machen, für den sie bezahlt werden. Es gab
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