Das Nibelungenlied
wider ihre Freunde · die Königin spann,
Daß aus dem Heunenlande · ihr auch nicht Einer entrann.
»Wohl kannt' ich Hagen · er war mein Untertan.
Lob und große Ehre · er hier bei mir gewann.
Ich macht' ihn zum Ritter · und gab ihm mein Gold;
Weil er sich getreu erwies · war ich immer ihm hold.
»Daher ist mir von Hagen · alles wohlbekannt.
Zwei edle Kinder bracht' ich · als Geisel in dies Land,
Ihn und von Spanien Walther · die wuchsen hier heran.
Hagen sandt' ich wieder heim · Walther mit Hildegund entrann.«
So gedacht' er alter Zeiten · und was vordem geschehn.
Seinen Freund von Tronje · hau' er hier gesehn,
Der ihm in seiner Jugend · oft große Dienste bot;
Jetzt schlug er ihm im Alter · viel lieber Freunde zu Tod.
Neunundzwanzigstes Abenteuer
Wie er nicht vor ihr aufstand
Da schieden auch die beiden · werten Recken sich,
Hagen von Tronje · und Herr Dieterich.
Über die Achsel blickte · Gunthers Untertan
Nach einem Heergesellen · den er sich bald da gewann.
Neben Geiselheren · sah er Volkern stehn,
Den kunstreichen Fiedler · den bat er mitzugehn,
Weil er wohl erkannte · seinen grimmen Mut:
Er war an allen Tugenden · ein Ritter kühn und auch gut.
Noch ließ man die Herren · auf dem Hofe stehn.
Die beiden ganz alleine · sah man von dannen gehn
Über den Hof hin ferne · vor einen Pallas weit:
Die Auserwählten scheuten · sich vor niemandes Streit.
Sie setzten vor dem Hause sich · genüber einem Saal,
Der war Kriemhilden · auf eine Bank zutal.
An ihrem Leibe glänzte · ihr herrlich Gewand;
Gar manche, die das sahen · hätten gern sie gekannt.
Wie die wilden Tiere · gaffte sie da an,
Die übermüt'gen Helden · mancher Heunenmann.
Da sah sie durch ein Fenster · Etzels Königin:
Das betrübte wieder · der schönen Kriemhilde Sinn.
Sie gedacht' ihres Leides · zu weinen hub sie an.
Das wunderte die Degen · die Etzeln Untertan,
Was ihr bekümmert hätte · so sehr den hohen Mut.
Da sprach sie: »Das tat Hagen · ihr Helden kühn und auch
Sie sprachen zu der Frauen · »Wie ist das geschehn?
Wir haben euch doch eben · noch wohlgemut gesehn.
Wie kühn er auch wäre · der es euch hat getan,
Befehlt ihr uns die Rache · den Tod müßt' er empfahn.«
»Dem wollt' ich immer danken · der rächte dieses Leid-,
Was er nur begehrte · ich war' dazu bereit.
Ich fall' euch zu Füßen« · so sprach des Königs Weib:
»Rächt mich an Hagen · er verliere Leben und Leib.«
Da rüsteten die Kühnen · sich, sechzig an der Zahl:
Kriemhild zu Liebe · wollten sie vor den Saal
Und wollten Hagen schlagen · diesen kühnen Mann,
Dazu den Fiedelspieler · das ward einmütig getan.
Als so gering den Haufen · die Königin ersah,
In grimmem Mute sprach sie · zu den Helden da:
»Von solchem Unterfangen · rat' ich abzustehn:
Ihr dürft in so geringer Zahl · nicht mit Hagen streiten gehn.
»So kühn auch und gewaltig · der von Tronje sei,
Noch ist bei weitem stärker · der ihm da sitzet bei,
Volker der Fiedler · das ist ein übler Mann:
Wohl dürft ihr diesen Helden · nicht zu so wenigen nahn.«
Als sie die Rede hörten · rüsteten sich mehr,
Vierhundert Recken · Der Königin hehr
Lag sehr am Herzen · die Rache für ihr Leid.
Da wurde bald den Degen · große Sorge bereit.
Als sie ihr Gesinde · wohlbewaffnet sah,
Zu den schnellen Recken · sprach die Königin da:
»Nun harrt eine Weile · ihr sollt noch stille stehn.
Ich will unter Krone · hin zu meinen Feinden gehn.
»Hört mich ihm verweisen · was mir hat getan
Hagen von Tronje · Gunthers Untertan.
Ich weiß ihn so verwegen · er leugnet's nimmermehr:
So will ich auch nicht fragen · was ihm geschehe nachher.«
Da sah der Fiedelspieler · ein kühner Spielmann,
Die edle Königstochter · von der Stiege nahn,
Die aus dem Hause führte · Als er das ersah,
Zu seinem Heergesellen · sprach der kühne Volker da:
»Nun schauet, Freund Hagen · wie sie dorther naht,
Die uns ohne Treue · ins Land geladen hat.
Ich sah mit einer Königin · nie so manchen Mann
Die Schwerter in den Händen · also streitlustig nahn.
»Wißt ihr, Freund Hagen · daß sie euch abhold sind?
So will ich euch raten · daß ihr zu hüten sinnt
Des Lebens und der Ehre · fürwahr, das dünkt mich gut:
Soviel ich mag erkennen · ist ihnen zornig zumut.
»Es sind auch manche drunter · von Brüsten stark und breit:
Wer seines Lebens hüten will · der tu' es beizeit.
Ich glaube, unter Seide · sie lichte Panzer tragen.
Was sie damit meinen · das kann ich
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