Das Nibelungenlied
bestehn.«
»So schweigt,« sprach da Hagen · »laßt sie erst näher her.
Eh' sie uns inne werden · wird ihrer Helme Wehr
Zerschroten mit den Schwertern · von unser beider Hand:
Sie werden Kriemhilden · übel wieder heimgesandt.«
Der Heunenrecken einer · das gar bald ersah,
Die Türe sei behütet · wie schnell sprach er da:
»Was wir im Sinne hatten · kann nun nicht geschehn:
Ich seh' den Fiedelspieler · vor dem Hause Schildwacht stehn.
»Er trägt auf dem Haupte · einen Helm von lichtem Glanz,
Der ist hart und lauter · stark dazu und ganz.
Auch loh'n die Panzerringe · ihm, wie das Feuer tut.
Daneben steht auch Hagen · die Gäste sind in guter Hut.«
Da wandten sie sich wieder · Als Volker das ersah,
Zu seinem Heergesellen · in Zorn sprach er da:
»Nun laßt mich von dem Hause · zu den Recken gehn:
So frag' ich um die Märe · die in Kriemhildens Lehn.«
»Nein, wenn ihr mich lieb habt« · sprach Hagen entgegen,
»Kämt ihr aus dem Hause · diese schnellen Degen
Brächten euch mit Schwertern · leicht in solche Not,
Daß ich euch helfen müßte · wär's aller meiner Freunde Tod.
»Wenn wir dann beide · kämen in den Streit,
So möchten ihrer zweie · oder vier in kurzer Zeit
Zu dem Hause springen · und schüfen solche Not
Drinnen an den Schlafenden · daß wir's bereuten bis zum Tod.«
Da sprach wieder Volker · »So laßt es nur geschehn,
Daß sie inne werden · wir haben sie gesehn:
So können uns nicht leugnen · die Kriemhild untenan,
Daß sie gerne treulos · an den Gästen hätten getan.«
Da rief der Fiedelspieler · den Heunen entgegen:
»Wie geht ihr so bewaffnet · ihr behenden Degen?
Wollt ihr morden reiten · ihr Kriemhild untenan?
So nehmt mich zur Hülfe · und meinen Heergesellen an.
Niemand gab ihm Antwort · zornig war sein Mut:
»Pfui, feige Bösewichter« · sprach der Degen gut,
»Im Schlaf uns zu ermorden · schlicht ihr dazu heran?
Das ward so guten Helden · bisher noch selten getan.«
Bald ward auch die Märe · der Königin bekannt
Vom Abzug ihrer Boten · wie schwer sie das empfand!
Da fügte sie es anders · gar grimmig war ihr Mut.
Da mußten bald verderben · viel der Helden kühn und gut.
Einunddreißigstes Abenteuer
Wie die Herren zur Kirche gingen
»Mir wird so kühl der Harnisch« · sprach da Volker:
»Die Nacht, wähn' ich, wolle · nun nicht währen mehr.
Ich fühl' es an den Lüften · es ist nicht weit vom Tag.«
Da weckten sie gar manchen · der da im Schlafe noch lag.
Da schien der lichte Morgen · den Gästen in den Saal.
Hagen begann zu wecken · die Recken allzumal,
Ob sie zum Münster wollten · in die Messe heut.
Nach christlichen Sitten · erscholl der Glocken Geläut.
Der Gesang war ungleich · kein Wunder mocht' es sein,
Daß Christen mit Heiden · nicht stimmten überein.
Da wollten zu der Kirche · die in Gunthers Lehn:
Man sah sie von den Betten · allzumal da erstehn.
Da schnürten sich die Recken · in also gut Gewand,
Daß nie Helden wieder · in eines Königs Land
Beßre Kleider brachten · Hagen war es leid;
Er sprach: »Ihr tätet besser · ihr trügt hier anderlei Kleid.
»Nun ist euch doch allen · die Märe wohl bekannt:
Drum statt der Rosenkränze · nehmt Waffen an die Hand;
Statt wohlgesteinter Hüte · die lichten Helme gut,
Da wir so wohl erkennen · der argen Kriemhilde Mut.
»Wir müssen heute streiten · das will ich euch sagen.
Statt seidner Hemden sollt ihr · Halsbergen tragen
Und statt der reichen Mäntel · gute Schilde breit:
Zürnt mit euch jemand · daß ihr wehrhaftig seid.
»Meine lieben Herren · Freund' und Mannen mein,
Tretet in die Kirche · mit lauterm Herzen ein
Und klagt Gott dem reichen · eure Sorg' und Not:
Denn wißt unbezweifelt · es naht uns allen der Tod.
»Ihr sollt auch nicht vergessen · was je von euch geschah,
Und steht vor eurem Gotte · andächtig da.
Laßt euch alle warnen · gute Recken hehr:
Es wend' es Gott im Himmel · so hört ihr keine Messe mehr.«
So gingen zu dem Münster · die Fürsten und ihr Lehn.
Auf dem heiligen Friedhof · da hieß sie stille stehn
Hagen der kühne · damit man sie nicht schied.
Er sprach: »Noch weiß ja niemand · was von den Heunen geschieht.
»Setzt, meine Freunde · die Schilde vor den Fuß
Und lohnt es, beut euch jemand · feindlichen Gruß,
Mit tiefen Todeswunden · das ist, was Hagen rät.
So werdet ihr befunden · wie's euch am löblichsten steht.«
Volker und Hagen · die beiden stellten da
Sich vor das weite Münster · was darum
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