Das Niebelungenlied
wohl selbst sehen, daß die Krieger Gunthers gereizt seien; ihm zuliebe sollten sie auf die Spiele verzichten.
Als Rüedegêrs Leute abgezogen waren, kamen die von Thüringen und etwa tausend Dänen. Die Splitter flogen unter den Stößen, Îrnfrit und Hâwart ritten mit ihnen. Auf sie hatten die Burgunden stolz gewartet, nun kämpften sie mit ihnen. Mancher herrliche Schild wurde durchlöchert. Dann kam Herr Bloedel mit dreitausend. Etzel und Kriemhilt sahen das wohl, denn vor ihnen spielte sich ja alles ab; und die Königin hatte ihre Freude am Turnier, denn sie hoffte Unglück für die Burgunden. Die Lanzen wirbelten hoch über den Königssaal. Aber was da auch vorfiel, es war doch nur Turnierlärm. Palast und Saal erdröhnten von den Stößen gegen die Schilde. Die Burgunden ernteten viel Beifall. Die Spiele dauerten so lange und waren so heftig, daß den Pferden der blanke Schweiß unter den Satteldecken hervorlief. Die Burgunden maßen sich herausfordernd mit den Hunnen. Volkêr sagte: »Ich glaube, diese Ritter werden nicht wagen, es mit uns aufzunehmen. Ich habe immer sagen hören, sie wären uns feind. Es hätte doch wahrhaftig keine bessere Gelegenheit gegeben. Wir wollen die Pferde in die Ställe bringen lassen. Abends, wenn es soweit ist, können wir weiterreiten. Ob die Königin wohl den Burgunden den Preis gibt?«
Da sahen sie einen so stolzgeschwellt daherreiten, daßkeiner der Hunnen es ihm gleichtat. Er mochte verliebt sein, jedenfalls war er aufgeputzt wie eine Dame. Da sagte Volkêr: »Ich kann nicht anders, dieser Weiberheld muß einen Denkzettel haben. Niemand kann es hindern, es geht ihm ans Leben. Was kümmert mich das, ob Etzels Frau sich ärgert.« – »Nicht doch, mir zuliebe«, sagte Gunther sofort. »Sie werden uns die Schuld für alles zuschieben, wenn wir sie angreifen. Laßt die Hunnen anfangen, das ist besser.« Noch saß Etzel neben Kriemhilt.
»Ich werde an dem Ritt teilnehmen«, sagte Hagen. »Wir wollen den Frauen und den Rittern zeigen, wie wir reiten können, das wird nichts schaden. Man wird doch keinem von uns den Preis zuerkennen.« Volkêr wandte sich zum Anritt um. Er stach dem geputzten Hunnen den Speer durch den Leib. Hagen und seine sechzig Männer ritten in scharfem Galopp auf den Turnierplatz zu Volkêr. Etzel und Kriemhilt konnten es deutlich sehen. Da wollten auch die drei Könige ihren Spielmann bei den Feinden nicht schutzlos lassen. Tausend Mann ritten kunstgerecht vor. Sie ließen sich in ihrem stolzen Benehmen nicht anfechten.
Als der Hunne erschlagen war, schrien seine Angehörigen und seine Knechte auf und klagten. Sie fragten: »Wer ist das gewesen?« – »Das hat Volkêr getan, der Spielmann.« Sie riefen sofort nach ihren Schwertern und Schilden, sie wollten Volkêr töten. Der Hausherr verließ in großer Eile das Fenster. Überall erhob sich Stimmenlärm. Die Könige und ihr Gefolge stiegen vor dem Saal von den Pferden und ließen sie zurückführen. Da kam König Etzel und begann zu schlichten. Er riß einem der Verwandten des toten Ritters das Schwert aus der Hand und trieb sie alle zurück. Er war sehr zornig. »Alles, was ich für die Helden getan habe, wäre umsonst gewesen, wenn ihr den Spielmann in meiner Gegenwart erschlügt. Ich habe genau gesehen, wieer ihn erstach, es ist unabsichtlich, durch unglücklichen Zufall geschehen. Laßt meine Gäste in Frieden.« So deckte er sie. Die Pferde wurden nun zu den Unterkünften geführt, viele Knechte waren dazu sogleich zur Hand. Der Gastgeber ging mit seinen Freunden in den Palast. Er ließ keinen weiteren Streit aufkommen. Die Tische wurden gedeckt, den Gästen wurde Wasser herangetragen. Sie hatten jetzt viele Feinde. Es dauerte lange, bis sie Platz genommen hatten.
Kriemhilt quälte nun ihr Leid allzusehr. Sie sagte zu Dietrîch: »Fürst von Bern, ich suche Rat und Schutz in meiner Sache: Ich bin in großen Nöten.« Hildebrant antwortete ihr: »Wer die Nibelungen angreift wegen ihres Schatzes, tut es ohne mich. Und es wird ihm leid tun. Sie sind noch nie besiegt worden.« Dietrîch fügte höflich hinzu: »Bitte uns nicht darum, Königin. Deine Verwandten haben mir kein Leid zugefügt, für das ich sie angreifen wollte. Die Bitte, daß wir deinen Verwandten ans Leben sollen, ehrt dich wenig. Sie sind im Vertrauen auf treue Gesinnung ins Land gekommen. Dietrîchs Hand wird Sîfrit nicht rächen.«
Als sie Dietrîch nicht zum Verrat bewegen konnte, versprach sie Bloedel eine große Grafschaft
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