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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bierwisch
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unvermeidbar – und entspricht ja auch der Realität. (In einer Bukarester Lizenzausgabe von 1985 ist diese Folgerung in Druck gegangen.) Das Nachwort allerdings konnte unmöglich ohne Autor erscheinen. Da der zur Unperson geworden war, stellte sich die Frage, ob zumindest an dieser Stelle der noch aussprechbare Übersetzer, der, wie gesagt, für den Verlag ohnehin der offizielle Partner war, würde einstehen können.
    Dem Verlag war die absurde Situation nicht anzulasten, der Cheflektor bewegte sich mit diesem Vorschlag – im Interesse des Verlags und der Übersetzer – ohnehin im DDR-juristischen Niemandsland. Das Einverständnis mit dem Vorschlag war das Ergebnis der Übereinkunft zwischen dem Autor des Nachworts, den Übersetzern und dem Verlag. So ist dann über zwei Jahrzehnte eine gemeinsame Arbeit anonym geblieben, ein Text von Johnson aber unter meinem Namen zu lesen gewesen. Denn bis zur siebten Auflage ist der Band642 von Reclams Universal-Bibliothek mit dem angegebenen Impressum erschienen und gelesen worden.
    Erst im Jahr 1983 hatte sich die Verkrampfung der für die Druckgenehmigung zuständigen Behörden der DDR so weit gelockert, daß der Verlag sich den Versuch zutraute, der Realität zur Anerkennung zu verhelfen, und damit Erfolg hatte. Das Ergebnis war allerdings eine neuerliche Variante von verdrängten Tatsachen. Vielleicht weil inzwischen das Personal gewechselt hatte und das Lektorat den tatsächlichen Hergang von 1960 nicht mehr genau kannte oder ihn verleugnete, jedenfalls erreichte mich die überraschende Mitteilung, daß die Peinlichkeit der unterschlagenen Übersetzer nun beendet werden solle. Das Ergebnis war das folgende Titelblatt der achten Auflage:

DAS NIBELUNGENLIED
Hochdeutsche Prosafassung von Manfred Bierwisch
und Uwe Johnson
Nachwort von Manfred Bierwisch
    Das war nun nicht mehr mit Uwe Johnson verabredet, und in dieser Form auch nicht mit mir. Es war auch nicht mehr der Abteilung für Verlagswesen im Kulturministerium der DDR geschuldet. Vielmehr mochte der Verlag zwar einräumen,daß er zwanzig Jahre gezwungen worden war, etwas zu verschweigen. Aber daß er eine eindeutig falsche Auskunft ins Impressum gesetzt hatte, das wollte er denn doch nicht selber kundtun. Und so blieb es bis zur 10. Auflage von 1989, der letzten in der DDR, bei einem Nachwort mit falsch ausgewiesener Autorschaft.
    Immerhin hat die Camouflage, auf die der Verlag sich eingelassen hat, rund dreißig Jahre lang der eigenwilligen Übersetzung oder Adaption des traditionsbeladenen Epos unvoreingenommene Leser und mancherlei Wirkung vermittelt. Zu diesen Lesern gehörte in den 60er Jahren Franz Fühmann, ein Autor, der mit seinem Interesse für den prägenden Gehalt von Mythen und Sagen der offiziellen Kulturpolitik dieser Zeit so gar nicht entsprach. Er hat in unprätentiöser Prosa unter anderem das Nibelungenlied nacherzählt und die große, befremdliche Dichtung mit umsichtigem Verständnis für das Leben und Denken einer vergangenen Gesellschaft nachvollziehbar zu machen versucht. Das Buch erschien 1971 mit folgendem Vermerk:
    »Benutzt wurde die Übertragung Helmut de Boors und die Prosaübersetzung von Manfred Bierwisch, Leipzig 1960. Zur vertiefenden Lektüre sei vor allem auf diese beiden Ausgaben verwiesen.« 11
    Als ich Fühmann einige Zeit später persönlich kennenlernte, konnte ich ihm zwar die wirkliche Autorschaft der Übersetzung beschreiben, aber an eine öffentliche Richtigstellung auf diesem Umweg war nicht zu denken, nicht nur weil bereits eine 2. Auflage der Nacherzählung von Fühmann erschienen war, sondern vor allem, weil Johnson in der DDR nach wie vor ein Problemfall war.
    Eine besondere deutsch-deutsche Merkwürdigkeit ist
    schließlich das Kuriosum der Doppelbelegung der Nummer 642 in Reclams Universal-Bibliothek: 1965, fünf Jahre nach der Leipziger Prosafassung, erschien unter dem gleichen Titel mit derselben Reihen-Nummer bei Philipp Reclam jun. Stuttgart die Neuauflage einer gereimten Übersetzung, die noch einmal all die Verlegenheiten wiederholt, die wir zu vermeiden versucht hatten. 1992 wurde diese Ausgabe um einen informativen Anhang erweitert, der in seinen sachlichen und editorischen Erläuterungen gleichwohl von der Parallelausgabe in Leipzig keine Notiz nahm.
    Sehr spät und für Johnson posthum ist das Ergebnis unserer frühen, fast noch studentischen Bemühungen schließlich der wichtigsten Autorität für die Welt des Nibelungenlieds vor Augen gekommen. Peter

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