Das Niebelungenlied
in die Hand, die vorher Nuodunc besessen hatte. Dann freilich erschlug Dancwart ihn, so daß das Geschenk ihm schnell aus dem Sinn kam. Sie sagte: »Herr Bloedel, hilf mir. Hier in diesem Haus sind meine Feinde, die Sîfrit erschlagen haben, meinen lieben Mann. Wer mir das rächen hilft, dem will ich immer dankbar sein.« Bloedel antwortete: »Etzels wegen würde ich nicht wagen, einen Anschlag auf sie zu machen, denn er mag deine Verwandten sehr leiden. Er würde es mir nicht verzeihen, wenn ich ihnen etwas antäte.« – »So mußt du nicht reden, Herr Bloedel, ich werde dir immer gefällig sein. Ich gebe dir Silber und Gold zum Lohn undein schönes Mädchen: Nuodoncs Verlobte, die kannst du lieben. Alles Land, das zu den Burgen gehört, wirst du bekommen, so daß du alle Zeit in Freuden leben kannst, wenn du die Grafschaft von Nuodonc hast. Was ich dir jetzt verspreche, will ich treu halten.« Als Bloedel solcher Lohn versprochen wurde, wollte er die liebenswerte Frau im Kampf verdienen, denn ihre Schönheit gefiel ihm sehr. Und darum mußte er sterben. Er sagte der Königin: »Geht in den Saal zurück. Ehe sich einer versieht, werde ich einen Streit vom Zaune brechen. Hagen muß Euch für seine Taten büßen: Ich werde ihn Euch gebunden überliefern.«
»Waffnet euch, Männer«, sagte Bloedel. »Wir sollen die Feinde in ihrem Quartier überfallen, Etzels Frau will es nicht anders. Dafür werden wir alle unser Leben aufs Spiel setzen.« Die Königin verließ Bloedel in Kampfbereitschaft und ging mit Etzel und seinen Männern zu Tisch. Sie hatte verderbliche Pläne gegen die Gäste gemacht; das alte Leid saß in ihrem Herzen, und da der Streit nicht anders angefangen werden konnte, ließ sie Etzels Sohn an die Tafel holen. Was hätte eine Frau Schrecklicheres tun können aus Rache? Sofort trugen vier von Etzels Männern Ortliep, den jungen König, an den Tisch der Fürsten, wo auch Hagen saß, durch dessen mörderischen Haß das Kind dann sterben mußte.
Als der große König seinen Sohn bemerkte, sagte er mit Wärme zu den Verwandten seiner Frau: »Seht, Freunde, das ist mein einziger Sohn. Der kann Euch allen nützlich sein. Wenn er nach seiner Sippe schlägt, wird er ein unerschrockener Mann von großer Macht, edler Geburt, Stärke und Schönheit. Wenn ich noch einige Zeit zu leben habe, übergebe ich ihm zwölf Reiche: So wird er Euch wohl Dienste erweisen können. Ich bitte Euch herzlich, liebe Freunde: Wenn Ihr heimreitet an den Rhein, so nehmt den Sohn EurerSchwester mit Euch. Beweist ihm Eure Freundlichkeit, und erzieht ihn sorgfältig, bis er ein Mann ist. Er wird Euch kämpfen helfen können, wenn er herangewachsen ist.« Auch Kriemhilt hörte zu.
Und Hagen antwortete: »Die Herren sollten wohl ihr Vertrauen auf ihn setzen. Aber der junge König ist so vom Tod umgeben, daß man mich selten bei ihm sehen wird.« Der König sah Hagen an. Seine Worte verletzten ihn. Er redete nicht darüber, aber es betrübte ihn und machte sein Herz schwer. Hagen aber war nicht zum Scherzen gestimmt. Auch Etzels Fürsten waren von seinen Worten über das Kind beleidigt, sie ließen sie ungern hingehen. Sie wußten nicht, was er später tun würde.
32 . WIE DANCWART BLOEDEL ERSCHLUG
Bloedels Männer waren gerüstet. Es waren tausend Gewappnete, die sich zu Dancwart begaben, der mit den Knechten bei Tische saß. Als Bloedel vor die Tische trat, begrüßte Dancwart ihn zuvorkommend: »Willkommen in diesem Haus, Herr Bloedel. Ich bin erstaunt, weswegen kommt Ihr?«
»Du brauchst mich nicht zu grüßen«, sagte Bloedel. »Denn mein Kommen bedeutet deinen Tod. Du und viele andere Ritter werden es entgelten, daß dein Bruder Hagen Sîfrit erschlug.«
»Aber, Herr Bloedel«, sagte Dancwart, »dann werden wir diese Reise arg bereuen. Ich war ein kleines Kind, als Sîfrit ums Leben kam. Ich verstehe nicht, was Etzels Frau mir vorwirft.«
»Mehr kann ich dir nicht sagen. Deine Verwandten haben es getan, Gunther und Hagen. Nun wehrt Euch, Ihr Unseligen,Ihr werdet nicht davonkommen. Ihr müßt Kriemhilt mit dem Tode dafür büßen.«
»Ihr wollt also nicht ablassen?« sagte Dancwart. »Dann tut es mir leid, daß ich gebeten habe; es wäre besser unterblieben.« Er sprang vom Tisch auf und zog sein langes scharfes Schwert; er versetzte Bloedel einen so schnellen Schlag, daß ihm der Kopf gleich vor die Füße fiel. »Das soll die Mitgift sein für Nuoduncs Braut, die du lieben wolltest. Morgen kann man sie an einen anderen Mann
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