Das Niebelungenlied
Gesinnung.« Bei diesen zornigen Worten des Spielmanns blickte Hagen zurück. Er sagte: »Er rät Euch zum besten. Begebt Euch zur Ruhe, Männer Kriemhilts. Was Ihr vorhabt, wird nicht geschehen, glaube ich. Wenn Ihr etwas unternehmen wollt, kommt morgen früh und laßt uns heute in Ruhe; so haben die Helden es zu allen Zeiten gehalten.«
Die Gäste wurden in einen großen Saal geführt, der mit geräumigen kostbaren Betten für sie hergerichtet war. Kriemhilt hatte Ungeheuerliches gegen sie vor. Da war manche kunstreiche Steppdecke aus Arras zu sehen von leuchtendem Stoff und viele Bettdecken aus bester arabischer Seide, die mit strahlendem Besatz versehen waren. Die Überdecken waren aus Hermelin und schwarzem Zobel, darunter sollten sie bis zum Morgen schlafen. Ein König hat nie so herrlich mit seinem Gefolge genächtigt. »Weh über das Nachtquartier«, sagte Gîselher, »weh über meine Freunde, die mit uns gekommen sind. So freundlich meine Schwester uns eingeladen hat, ich fürchte, wir müssen ihretwegen sterben.« – »Sorgt Euch nicht weiter«, sagte Hagen. »Ich werde heute selbst die Wache halten und Euch sicher behüten bis zum Tag. Bis dahin seid ohne Furcht, danach soll dann unversehrt bleiben, wer kann.« Sie verbeugten sich und dankten ihm. Sie gingen zu den Betten, und nach kurzer Zeit hatten sie sich niedergelegt. Hagen begann sich zu waffnen. Da sagte Volkêr, der Spielmann,zu ihm: »Wenn es Euch recht ist, Hagen, so will ich die Wache bis morgen früh mit Euch halten.« Hagen dankte ihm herzlich. »Gott im Himmel lohne es Euch, lieber Volkêr. Weiter brauche ich niemand, wenn ich in Not gerate. Ich will es Euch vergelten, wenn nicht der Tod mich hindert.« Sie zogen beide ihr schimmerndes Kampfgewand an. Jeder nahm seinen Schild an die Hand. Sie gingen aus dem Haus und stellten sich vor die Tür. Dort bewachten sie sorgsam die Burgunden.
Volkêr lehnte seinen Schild an die Hauswand. Er ging in den Saal zurück und holte die Geige: So bereitete er seinen Freunden eine Freude nach seiner Art. Er setzte sich auf die steinerne Türschwelle. Sie waren ihm dankbar, als seine Saiten angenehm erklangen in der Fremde. Die Geige tönte, daß es durch das ganze Haus schallte; seine Bildung war, wie seine Kraft, außerordentlich. Dann spielte er lieblicher und leiser und schläferte so manchen besorgten Krieger ein. Als er merkte, daß sie schliefen, nahm er wieder den Schild an die Hand und ging aus dem Gemach vor die Tür zurück, um die Burgunden vor Kriemhilts Männern zu schützen.
Um Mitternacht, oder vielleicht schon früher, sah Volkêr in der Finsternis irgendwo fern einen Helm schimmern. Kriemhilts Dienstleute versuchten wieder, den Fremden etwas anzutun. Der Spielmann sagte: »Freund Hagen, wir müssen jetzt gemeinsam achtgeben. Ich sehe da Bewaffnete vor dem Haus stehen, und wenn ich mich nicht irre, wollen sie uns angreifen.« – »Seid still«, sagte Hagen, »laßt sie noch näher herankommen. Ehe sie uns bemerken, werden wir einige Helme mit unseren Schwertern verbeulen. Wir werden sie übel zugerichtet zu Kriemhilt zurückschikken.«
Einer von den hunnischen Rittern sah bald, daß die Türbewacht war; da sagte er gleich: »Was wir da vorhaben, wird nichts. Ich sehe den Spielmann auf Wache stehen. Er trägt einen glänzenden Helm, der ist hart und stark, und sein Panzer funkelt wie Feuer. Hagen steht neben ihm. Die Fremden sind gut behütet.« Sie kehrten eilig um.
Als Volkêr das sah, sagte er erzürnt: »Laßt mich zu ihnen gehen. Ich will sie fragen, was das bedeutet.« – »Nein, tut es mir zuliebe nicht«, sagte Hagen. »Wenn Ihr das Haus verlaßt, werden sie Euch leicht in solche Bedrängnis bringen, daß ich Euch beistehen muß, und das wäre unser aller Tod. Würden wir beide in einen Kampf verwickelt, dann liefen zwei oder vier im Augenblick ins Haus und täten den Schlafenden etwas an, das nie zu verschmerzen wäre.« Und Volkêr antwortete: »So laßt wenigstens zu, daß ich ihnen zeige, daß ich sie gesehen habe, damit sie nicht leugnen können, daß sie gern einen Verrat begangen hätten.«
Volkêr rief den Hunnen entgegen: »Warum seid ihr so bewaffnet, ihr tapferen Krieger? Wollt ihr auf Raub ausreiten? Dann könnt ihr unsere Hilfe haben.« Niemand antwortete ihm. Er war erbost. »Pfui, ihr erbärmlichen Feiglinge«, rief er. »Wolltet ihr uns im Schlaf ermorden? So hat man bisher noch keine Helden behandelt.«
Der Königin wurde berichtet, daß ihre Sendlinge nichts
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