Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Untersuchungen und den umso größeren Interpretationsspielraum. Die Universitätsleitung hieß die Versuche nicht gut. Aber Blackmore war mit den Jahren ein gefeierter Forscher geworden, der regelmäßig in wissenschaftlichen Fachzeitschriften publizierte. Brain Research Reviews, Journal of Biological Chemistry, Developmental Psychobiology, Psychological Reports, Journal of Theoretical Biology . Sie ließen ihn gewähren.
Er hatte sich …
4
2004
… eine Zigarette angezündet und einen Whisky mit drei Eiswürfeln eingeschenkt. Eine alte Vinyl-Platte aufgelegt. Seine Wohnung war winzig. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche. Mehr brauchte er nicht. Er war selten zu Hause.
William Blackmore sah sich selber als echtes Kind der Sechziger und der Hippiezeit. The Doors. Grateful Dead. Led Zeppelin. Und der beste von allen: Jimi Hendrix. Der Gott der Gitarre. Wenn er an diese Zeit zurückdachte, war sie in einen diffusen Nebel aus Musik, Literatur, Politik, Marihuana und freiem Sex gehüllt. Er hatte Tolkien und Kerouac gelesen. Hatte den Bart und die Haare wachsen lassen. Definierte sich als Rebell. Gegen Autoritäten. Gegen Machtmissbrauch. Was für ein Witz, dachte er jetzt. Die gesamten Sechziger waren ein einziges selbstgefälliges Klischee. Alle Keime aufrichtigen Engagements waren frühzeitig plattgetrampelt worden. Sie waren alle Teil des Systems. Nur auf eine andere Weise. Aber das hatten sie nicht gesehen. Sie hatten sich für so verdammt alternativ gehalten. Aber sie hatten den Whisky durch Pot ersetzt, Glenn Miller durch Jim Morrison, Schlafzimmersex durch Vögeln im Park. Er hatte in der Zeit viele Freundinnen gehabt. Aber er hatte sie alle gehen lassen. Ihm fehlte das Gen für Ehe, Kinder, lebenslange Liebe. Das war nicht sein Ding. Er war abhängig von dem Rausch des Verliebtseins und der Lust. Sobald die Besessenheit sich legte, begann er, sich zu langweilen. Ein egozentrischer Drecksack. So wurde er von vielen seiner Verflossenen bezeichnet. Vielleicht hatten sie ja recht. Dabei wollte er niemanden verletzen, meinte es nie böse. Aber seine Beziehungen hielten nie länger als ein paar Monate. Dann kamen die Siebziger. Das Studium und die Forschung nahmen mehr Platz in seinem Leben ein. Lange Tage und Abende an der Universität. Die Jagd nach Gott … Die Wahrheit war, dass er nie eine Frau an seiner Seite vermisst hatte. Es passierte immer noch, dass er sich verliebte. In Kolleginnen. Junge Studentinnen. In die Frauen von Kollegen. Das Muster aus jungen Jahren wiederholte sich. Nach wenigen Monaten verlor er das Interesse. Er rief nicht mehr an.
Gott war zur …
5
2006
… Besessenheit geworden. Er hatte kein Problem damit, das einzugestehen.
Ihn zu finden. Im menschlichen Gehirn.
Denn dort befand sich Gott. Im Gehirn. Davon war er felsenfest überzeugt. Er hatte gerade einen ganz frischen Bericht von einem Forscherteam bekommen, das die Hirne einer Gruppe von Pfingstlern scannte. Die Ergebnisse waren eindeutig und bestätigten alle seine Vermutungen. Während die Pfingstler in Zungen sprachen, zeigten die Messungen, dass die Aktivität im Sprachzentrum des Gehirns abnahm. Dafür stieg die Aktivität in den Bereichen des Gehirns, die die Gefühle steuerten.
Er konnte stundenlang auf einer Bank im Park auf dem Universitätsgelände sitzen und sich den Sternenhimmel anschauen. In alten Zeiten hatten sie dort oben ihre Götter gesucht. Im Himmel. Und heute? Die alten Götter waren allesamt tot. Die Kirche sprach von Gott im Himmel, aber das waren Floskeln. Denn wo genau war der Himmel oder das Paradies, wo die Hölle? Wenn es sie überhaupt gab als konkrete Orte. Aber die gab es nicht. Nur in den Köpfen derer, die daran glaubten und sich so sehr wünschten, dass es so war. Dass das Leben irgendeine Form von Sinn hatte. Für William Blackmore bestand der Sinn des Lebens darin, hier und jetzt zu leben. Hedonistische Kapitulation. Wenigstens war er ehrlich sich selbst gegenüber. Dem Leben gegenüber. Die Heuchelei seiner religiösen Kollegen provozierte ihn. Jeden Sonntag saßen sie mit gefalteten Händen in der Kirche, und am Montag vögelten sie Bachelorstudenten in der Besenkammer. Sie priesen Jesu Barmherzigkeit und unterstützten gleichzeitig Kriege und die Todesstrafe. Sie reduzierten die Religion auf ihre persönliche Lebenslüge. Wenn die Christen wenigstens nach der Lehre Jesu leben würden. Gegen Jesus hatte er nichts. Liebe deinen Nächsten und so weiter. Jesus war ein prima Kerl! Er glaubte
Weitere Kostenlose Bücher