Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
nur nicht, dass Jesus Gottes Sohn war, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gekreuzigt, gestorben und begraben, am dritten Tage auferstanden und nun zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, sitzend. No way . Für Blackmore war Jesus ein jüdischer Hippie, ein Rebell, ein religiöser Revoluzzer, ein Reformator, ein moralischer Philosoph und Querdenker. Ein Fels. Aber tot. Sehr tot.
So saß er auf der Bank im Park und ließ die Gedanken schweifen. Irgendwann begab er sich nach Hause und ging ins Bett. Er konnte nicht …
6
2008
… schlafen. Das war nicht ungewöhnlich. Trotz seiner theoretischen Einsichten über die Funktionen des Gehirns hatte er nicht immer die Kontrolle über sein eigenes. Er blieb liegen und dachte nach. Gedanken und Träume verwoben sich miteinander. Diese langen, wachen Stunden in der Dunkelheit der Nacht …
Nahtoderlebnisse. Das wunderbare Licht am Ende des Tunnels. Selbstbeobachtung aus der Vogelperspektive, über dem eigenen Körper schwebend. Astralreisen. Seelenwesen, Geister, Engel. Für all dies, dachte Blackmore, gab es eine natürliche Erklärung. Interessanterweise war Epilepsie ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis religiöser Ekstase bis hin zum Erleben parapsychologischer Phänomene. Gemeinsam mit Chirurgen, Psychiatern und Biologen hatte Blackmore eine große Anzahl von Epilepsie-Patienten untersucht. Die Ergebnisse hatten alle verblüfft und waren in einem umfangreichen Artikel im Journal of Neuroscience veröffentlicht worden: Schwache elektrische Impulse im Gehirn konnten bei gesunden Menschen Wahnvorstellungen hervorrufen. Wahnvorstellungen, die die Patienten selbst als wirklich, wahr und konkret empfanden. Eine zweiundzwanzigjährige Patientin, der sie Elektroden in die temporoparietale Region des Gehirns implantiert hatten, nahm die Anwesenheit eines fremden Schattenwesens wahr, das alle ihre Bewegungen spiegelte. Ein fünfundfünfzig Jahre alter Mann mit täglichen Epilepsie-Anfällen fühlte, wie ein Fremder in seinen Kopf und Körper eindrang und die Kontrolle übernahm. Als sie sein Hirn scannten, entdeckten sie eine Schädigung im Sulcus intraparietalis posterior , einer Stelle im hinteren Bereich des rechten Stirnlappens. Eine dreiundvierzigjährige Epileptikerin, deren Hirnregion Gyrus angularis mit elektrischem Strom stimuliert wurde, erlebte, wie sie ihren Körper verließ und unter der Decke schwebte, von wo sie sich und die Ärzte betrachtete.
Ein Kollege von Blackmore, Professor Olaf Blanke aus dem Labor für kognitive Neurowissenschaft an der Universitätsklinik in Genf, war noch weiter gekommen. In Experimenten mit Epilepsie-Patienten war es Blanke und seinem Forscherteam gelungen, mit Hilfe elektrischer Impulse das Gefühl wachzurufen, dass die Seele den Körper verlässt. Und nicht genug damit: Sie hatten es geschafft, die »Seele« wieder einzufangen und in den Körper zurückzuholen. Als britische Forscher 1500 Herzinfarktpatienten untersuchten, stellten sie fest, dass die Hirnprozesse in manchen Fällen noch eine gewisse Weile nach dem Zeitpunkt weiterliefen, den die Mediziner normalerweise als Zeitpunkt des Todes definiert hätten. Das Gehirn schaltete sich nicht unmittelbar ab, sondern kämpfte weiter. Mentale Krämpfe, dachte Blackmore. In dem sterbenden Patienten entstanden visuelle und gefühlsmäßige Wahrnehmungen. Das Gefühl von Ruhe und Frieden, von Wärme und Liebe umhüllt zu werden. Der Blick zurück auf das eigene Leben und ein plötzliches und universelles Verständnis von Allem . Das Gefühl der Anwesenheit verstorbener Verwandter. Der Anblick des eigenen Körpers – und der Ärzte, die lebensrettende Maßnahmen daran vornahmen. Das Gefühl einer Reise durch Zeit und Raum, durch einen Tunnel, auf ein göttliches Licht zu. Die Schlussfolgerung der Forscher war eindeutig: Die Sauerstoffreduktion im Sterbeprozess löste eine intensive elektrische Aktivität im Gehirn aus. Und die Wahrnehmungen und Bilder, die beim Fehlen von lebenswichtigem Sauerstoff im menschlichen Gehirn entstanden, ähnelten sich frappierend. Darum gaben auch so viele wiederbelebte Menschen sehr ähnliche Beschreibungen davon ab, was sie im Totenreich erlebt hatten. Und irgendwo dort war auch die religiöse Wahrnehmung zu finden, dachte Blackmore. Gott. Oder die Götter. Denn der religiöse Glaube der jeweiligen Person füllte die Todeshalluzinationen mit Inhalt. Ein gläubiger Christ sah Gott oder Jesus und wurde von ihrer
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