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Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)

Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)

Titel: Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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ermitteln würden: »An alle, die es betrifft: Ich habe gerade meine Mutter umgebracht und bin sehr aufgewühlt, das getan zu haben.« Er fährt nach Hause. Seine Frau Kathy schläft schon. Er tötet sie mit mehreren Messerstichen. »Ich liebe sie wirklich«, hatte er am Vorabend geschrieben. »Sie war mir eine gute Frau, wie es sich jeder Mann nur wünschen kann. Ich kann keinen rationalen Grund dafür nennen.« Dem maschinengeschriebenen Brief ist eine handschriftliche Notiz angefügt: »3 Uhr morgens. Beide tot.«
    Ich kann mir vorstellen, dass es so scheint, als hätte ich meine Lieben brutal umgebracht. Aber ich will nur schnell und sorgfältig meine Arbeit machen. Wenn meine Lebensversicherungspolice noch gilt, zahlen Sie bitte meine Schulden … Spenden Sie den Rest anonym einer Stiftung für Geisteskrankheiten. Möglicherweise kann die Forschung weitere Tragödien dieser Art verhindern.
    Charles Whitman fährt weiter zur Universität von Texas. Dort begibt er sich in den Turm auf dem Campus-Gelände. Mit dem Gewehrkolben erschlägt er eine Angestellte vor der Aussichtsplattform, die seinen Ausweis sehen will. Kurz darauf schießt er auf eine Gruppe Touristen, die die Treppe heraufkommen. Zwei von ihnen sterben. Er begibt sich auf die Aussichtsplattform. Zwölf Minuten vor zwölf fällt der erste Schuss. Von seiner Scharfschützenposition in der 28. Etage schießt er zielsicher auf alles, was sich unten auf der Straße bewegt. Im Laufe der folgenden 96 Minuten trifft er 42 Menschen. 11 sterben. Am Ende wird er selbst beschossen und von der Polizei getötet. Erst danach findet die Polizei seine ermordete Mutter und die Ehefrau – samt der Briefe, die er hinterlassen hat und in denen er seine Verzweiflung und Verwirrung über die Persönlichkeitsveränderung schildert, die er durchlaufen hat:
    In letzter Zeit verstehe ich mich selbst nicht mehr. Ich sollte ein durchschnittlicher, normaler und intelligenter junger Mann sein. Jedoch kürzlich (ich kann nicht mehr sagen, wann es begann) wurde ich ein Opfer vieler ungewöhnlicher und vernunftwidriger Gedanken.
    Im gleichen Brief bittet er die Behörden, seine Leiche zu obduzieren, um zu überprüfen, ob etwas mit seinem Gehirn nicht in Ordnung sei. Und ganz richtig: Die Pathologen finden in Charles Whitmans Gehirn einen Tumor von der Größe einer Münze. Glioblastoma multiforme . Der Tumor drückt auf die Amygdala – einen Kernbereich im Schläfenlappen. Eine der komplexen Funktionen dieses Bereichs ist die Stimulierung des Angstempfindens. Und noch wichtiger: Die Amygdala beeinflusst unser Aggressionsempfinden. Den Brief, den er nach der Ermordung seiner Mutter geschrieben hat, beendet er so: »Wenn es einen Gott gibt, möge er meine Taten verstehen und mich danach richten.«
    Whitmans letzte Äußerung hatte William Blackmore nie losgelassen. Wenn es einen Gott gibt . Und wenn es einen guten Gott gab – wie hatte er da Whitmans ungeheuerliche Taten zulassen können? Das entbehrte jeder Logik. Er las theologische Bücher zu dem Thema. Er sprach mit einem Priester darüber. Trotzdem ergab es keinen Sinn. Die Theologen hatten in ihrem Unvermögen dem Ganzen einen Namen gegeben: Theodizee . Das Problem des Übels in der Welt. Als ob sie mit der Benennung des Problems wegtheoretisieren konnten, dass ein gütiger und allmächtiger Gott zuließ, dass die Welt voller Leid und Bösem war. Indem er dem Menschen einen freien Willen gab, wusch Gott seine göttlichen Hände in Unschuld und ließ seinen Geschöpfen alles Übel der Welt widerfahren. Wenn es einen solchen Gott wirklich gibt, dachte William Blackmore, will ich nichts mit ihm zu tun haben. Und dennoch wurde dieser Gott von Millionen von Menschen angebetet, so wie sie vor ihm Zeus und Apollon, Amun-Re und Odin anbeteten. Sie ehrten ihn in blinder …
    2
    2002
    … und grenzenloser Anbetung. Wie diese Frau. »Ich habe Gott gesehen!«, rief sie. »Halleluja!«
    Religiöse Ekstase, dachte William Blackmore. Jedes Mal aufs Neue erschreckend.
    Ihre Wangen waren nass von Tränen. Ihr Körper zitterte. Zwei Forscher halfen ihr auf ein Sofa, wo sie zusammensackte.
    »Hört ihr?« Die junge Frau streckte beide Arme aus. Wie bei einem Erweckungsgottesdienst. »Ich habe den Herrn, meinen Gott, gesehen! Ja! Halleluja! Ich habe meinen Gott gesehen!«
    Ein Assistent gab ihr ein Glas Apfelsaft zu trinken. Sie trank gierig, ehe sie fortfuhr, leiser: »Ich habe ihn gesehen! Ich habe unseren Herrn und seinen eingeborenen Sohn,

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