Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
küssen?
»Ich möchte mich im Namen der Kirche für all das entschuldigen, was Ihnen Vicarius Filii Dei im Namen des Heiligen Stuhls angetan haben«, sagte der Papst etwas altertümlich. »Adrian«, fuhr er an einen jüngeren Priester hinten im Raum gerichtet fort, »könnten Sie Kardinal Maximo Romano zu uns rufen?« Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. »Wenn ich das richtig verstanden habe, sind Sie bereit, uns beizustehen, um den Untaten, die meine verwirrten Untertanen begangen haben, auf die Spur zu kommen und endlich wieder Ordnung zu schaffen?«
Dem Papst kann man Hilfe ja wohl kaum verwehren. Ich meine, wenn er einen persönlich bittet? Das kommt sicher nicht oft vor.
Als spüre er meine Verunsicherung, sagte er mild: »Ich kenne Ihre Lebensphilosophie. Aber bedenken Sie, dass sich nicht nur die katholische Kirche, die römische Kurie und der Heilige Stuhl für das Rätsel interessieren, das Sie, nebst vielen anderen, zu lösen versuchen. Diese Sache ist für die ganze Menschheit von Bedeutung. Für unsere Beziehung zu Gott. Wenn ich auch weiß, dass Sie keine besondere Beziehung zu Gott haben. Aber, junger Mann, das ist ganz in Ordnung. Sie werden das Licht schon noch erblicken und unserem Herrn begegnen.«
Er meinte es sicher nicht so, aber irgendwie konnte man das auch als Drohung auffassen.
II
Als Kardinal Maximo Romano ein paar Minuten später hereingeführt wurde, blieb er wie angewurzelt stehen. Sein Blick huschte vom Papst zu mir und wieder zurück. Zögernd ging er bis zum Heiligen Vater, kniete nieder und küsste seinen Ring.
»Heiliger Vater …«
Das tiefe Seufzen des Papstes war Antwort genug. Er bedeutete dem Kardinal, sich zu erheben. »Kardinal Maximo Romano. Sie haben mich aufs Tiefste enttäuscht.«
»Es tut mir weh, das zu hören, Heiliger Vater«, antwortete der Kardinal, der Heuchler.
Irgendwo klang munter eine Glocke, die in ihrer ganz eigenen Zeit zu leben schien.
Der Papst sagte: »Vor vielen hundert Jahren wurde Vicarius Filii Dei als ein Werkzeug des Papstes gegründet, um das Wort Gottes durchzusetzen. Durch die Zeiten haben die Ordensbrüder unserer Sache gedient. Der Sache unseres Herrn. Unter größter Geheimhaltung haben viele meiner Vorgänger die Dienste genutzt, um in der Grauzone zwischen dem vergänglichen Erdenleben und den himmlischen Sphären etwas ausrichten zu können. Sogar unser Herr braucht mitunter angstlose, loyale Soldaten. Deshalb durfte Vicarius Filii Dei existieren. Im Geheimen. Ohne unnötige Einmischung. Die Päpste haben dem Orden und seinem Kardinal in pectore in all den Jahrhunderten vertraut und seinen selbstlosen Gehorsam als selbstverständlich angesehen. Ja, ich weiß, dass viele meiner Vorgänger mit dem Orden nichts zu tun haben wollten. Trotzdem ließ man ihn gewähren. Andere haben den Orden für die schändlichsten Missetaten genutzt – ich habe die Dokumente in unseren Archiven gelesen. Aber Sie, Kardinal Maximo Romano, haben das Glaubensgelöbnis gebrochen, das Sie einmal gegeben haben, um den Vicarius Filii Dei als Diener des Herrn und als gehorsamer Untertan des Papstes vorzustehen. Die Macht, die Ihnen gegeben worden ist, haben Sie für Ihre eigenen Interessen missbraucht. Sie haben die Vicarius Filii Dei zu Ihrer eigenen Sekte und Armee gemacht.«
»Aber …«
»Glauben Sie etwa, wir hätten das nicht verfolgt und voller Sorge auf Ihre politischen Ambitionen geschaut? Wir waren schon lange bereit einzugreifen.«
»Ich …«
»Aber mit der Entführung von Professor Moretti und seinem unschuldigen Sohn – ganz zu schweigen von den schändlichen Morden – sind Sie zu weit gegangen. Viel zu weit. Wir haben vieles akzeptiert und nicht sehen wollen. Aber Mord und Entführung sind Verbrechen.«
»In Gottes Namen, Heiliger Vater – sie standen unserer Operation im Wege!«
»Und das unglückselige Schicksal von Bruder Francesco …«
»Selbstmord, Heiliger Vater. Das kann meinen Männern nicht angelastet werden. Sie wollten ihn nur zurückholen. Er hat eine Gefahr für den Orden dargestellt. Und für sich selbst. Niemand – nicht einmal ich – konnte davon ausgehen, dass er aus einem Fenster springt.«
»Aus einem Fenster des Palazzo Vecchio, mit einem Seil um den Hals! Sehen Sie denn nicht selbst, was aus Ihnen geworden ist?«
Der Kardinal senkte den Kopf.
»Sie haben Ihre Männer zu ebenso zynischen wie scheinheiligen Verbrechern gemacht! Sie sind schon lange keine demütigen Soldaten des Herrn mehr.
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