Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
tatsächlich das Amulett finden?
Dann passierte etwas Unvorhergesehenes. Im Augenblick, als der Deckel abgenommen werden sollte, griff Nick Carver ein. Er bat die Handwerker zu warten und forderte uns alle auf, ein paar Schritte zurückzutreten.
Aus einer Seitentür traten zwei Männer in Schutzanzügen. Hinter einem der Visiere erkannte ich William Blackmore.
»Nick?«, rief ich.
Er schien zu wissen, was ich fragen wollte.
»Lorenzo il Magnifico ist 1492 gestorben, aber Nostradamus und die Medici haben das Amulett erst 1554 in Verbindung mit der Umbettung in die Neue Sakristei in den Sarg geschmuggelt.«
»Aber wozu die Schutzanzüge?«
»Später«, wimmelte er mich mit einem Handwedeln ab.
»Aber …«
»Später!«
Ich versuchte, mir selber einen Reim darauf zu machen. Konnten gefährliche Bakterien in dem Sarg sein? Wieso hatte er diese Vorsichtsmaßnahmen dann nicht bei der Öffnung von Michelangelos Sarg angeordnet? Schutzanzüge? Gegen was mussten sie sich schützen?
Die beiden Männer schoben den Deckel beiseite. Schauten in den Sarg. William Blackmore streckte den Daumen hoch. Der andre griff in den Sarg.
Das Delphi-Amulett.
Aus enttäuschend weiter Entfernung erhaschte ich einen Blick auf das Amulett, als der Kollege Blackmores es von Lorenzos morschem Skelett zog und in eine schwere Schatulle legte.
Wieso durften wir keinen Blick darauf werfen, es berühren?
Ich begegnete Nick Carvers Blick und zog die Stirn fragend in Falten. Später, sagte sein Blick.
III
Als William Blackmore nach einigen Stunden ohne Schutzanzug zurückkehrte, signalisierte er Nick mit erhobenem Daumen, dass alles gut gelaufen war.
Aber was?
»Was haben Sie herausgefunden?«, fragte ich ungeduldig.
»Wir müssen zuerst noch ein paar Untersuchungen vornehmen«, sagte Nick Carver. »Sie werden sich noch gedulden müssen.«
»Was ist mit dem Amulett?«
»Hören Sie … Vor dreitausend Jahren landete das Amulett in Griechenland und später dann im Apollon-Tempel. Möglicherweise war es Kriegsbeute, Bezahlung für irgendetwas, ein Geschenk. Pythia, die Wahrsagerin, trug das Amulett an einer Kette um den Kopf. Ungefähr hundert Jahre vor Christus erlebte der Tempel eine unruhige Phase. Der Betrieb musste sozusagen umorganisiert werden, man kämpfte gegen ständige Angriffe von außen. Als der Tempel 83 vor Christus von einem Erdbeben erschüttert wurde, wurde das Amulett gerettet und in die Metropole Alexandria gebracht, wo man den Göttern, der Wissenschaft und dem Okkultismus huldigte. Das Amulett wurde den Schätzen der Alexandria-Bibliothek beigefügt. Den Priestern und Philosophen der Stadt galt das Delphi-Amulett als ein geheimnisvolles Heiligtum. Ein Mysterium. Nachdem Cäsar sich mit der Bibliothek aus dem Staub gemacht hatte, blieb das Amulett in einer der vierundzwanzig Truhen. Bis Nostradamus es herausnahm. Haben Sie es immer noch nicht verstanden?«
»Was verstanden?«
»Das Delphi-Amulett ist ein Bruchstück der Steintafeln, die vor vielen tausend Jahren in der Bundeslade lagen.«
IV
Während wir geschlafen hatten, hatte Nick Carvers Team die Liste der Bibliotheken entschlüsselt, in denen die vierundzwanzig Truhen mit den Schriften aus Alexandria versteckt waren.
Beatus Rhenanus – Cusanusstift
Bibliotheca Bern – Farnese
Bibliotheca Cambridge – Glasgow
Bibliotheca Chester Cathedral – Palatina Heiliggeistkirche
Bibliotheca Genève – Jagiellonka
Bibliotheca Malatestiana – Klementinum
Bibliotheca Regia – Louvre
Bibliotheca Sainte-Geneviève – Marciana
Bibliotheca Sächsische – Stift Sankt Peter
Capitular – Vallicelliana
Corbie – Wittelsbach
Corviniana – Österreichische Hofbibliothek
Vierundzwanzig Namen. Vierundzwanzig Bibliotheken.
Die Chiffrierung war laut Nick Carvers Code-Experten leicht zu knacken gewesen. Zuerst war jeder zweite Buchstabe des Alphabets – A, C, E, G usw. – durch das Zeichen rechts von sich ersetzt worden, sodass A zu B wurde usw. Danach war der gleiche Prozess mit den Buchstaben wiederholt worden, die in der ersten Runde ausgelassen worden waren, ebenso wie mit den Buchstaben, die in der ersten Runde ersetzt worden waren. Dann hatte man den Prozess erneut für alle Buchstaben wiederholt. Nick Carvers Experten hätten kaum auf den Computer zurückgreifen müssen, um herauszufinden, dass das achtmal vorkommende DLDNLRVJHFD im codierten Text BIBLIOTHECA heißen musste.
Ich nahm Nick Carver beiseite.
»Wie viele dieser Bibliotheken existieren
Weitere Kostenlose Bücher