Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
noch?«
»Alle. Das hat die DARPA bereits überprüft. Einige wenige haben im Laufe der Jahrhunderte die Örtlichkeit gewechselt, aber die ursprünglichen Gebäude stehen alle noch. Und damit dürften auch die Truhen noch in den Wänden oder Böden eingemauert sein, wie auf Nostradamus’ Zeichnungen angegeben. Wie gesagt, die meisten Bibliotheken befinden sich in ihren ursprünglichen Palästen, Universitäten und Monumenten.«
Bernardo Caccini – Chefbibliothekar der Laurenziana und Großmeister der Hüter der Schrift – war natürlich am neugierigsten von uns allen. Gierig las er die Namen, lachte, schnaubte und gab erstaunte Laute von sich.
K APITEL 35 Die Truhe in Cesena
C ESENA,
S AMSTAGNACHMITTAG
I
Die am nächsten gelegene Bibliothek der Liste – Malatestiana in Cesena – war etwa zweieinhalb Stunden von Florenz entfernt.
Als unsere Autokolonne am Samstagnachmittag vor der altehrwürdigen Bibliothek vorfuhr, erwarteten uns bereits die Bibliothekschefin, zwei Bibliothekare und drei Vertreter der Kulturverwaltung. Sie waren sichtlich nervös.
Die Biblioteca Malatestiana gilt als Europas erste öffentliche Volksbibliothek und befindet sich seit über 550 Jahren in den gleichen prunkvollen Räumlichkeiten. Unter den 340 seltenen Kodizes der Bibliothek befindet sich unter anderem die Etymologiae des Gelehrten Isidor von Sevilla aus dem 7. Jahrhundert.
Ich liebe Bücher. Ihr Gewicht. Ihren Duft. Die Typografie und Gestaltung. Aber allem voran liebe ich Bücher für das, was sie beinhalten. Spannende Geschichten. Vermittlung von Gedanken und Ideen. Wissen. Reflexionen. Über dreitausend Jahre haben Bücher all das vermittelt, was wir Menschen gelernt und erfahren haben. Erst mit der Erfindung der Schrift war es möglich, unsere Erfahrungen und all unser Wissen mit unseren Nachkommen zu teilen. Und genau deshalb hat das Schicksal der verlorenen Bibliothek in Alexandria uns immer schon so gefesselt. All das darin methodisch gesammelte und katalogisierte Wissen. Die Weisheit des Altertums.
Nach der Skizze von Nostradamus sollte die Truhe mit den Schriftrollen aus Alexandria in der Wand eines Nebenraumes im Keller eingemauert sein. Die Chefbibliothekarin wusste sofort, welche Kammer gemeint war, als sie die Zeichnung sah. »Die Kellerkrypta«, sagte sie. »Hat das etwas mit dem alten Dokument zu tun, das ich zu lesen bekommen habe, als ich die Leitung der Bibliothek übernommen habe?«
Bernardo Caccini schüttelte diskret den Kopf.
Sie legte die Hand vor den Mund. »Entschuldigung«, flüsterte sie, teils bedauernd, teils amüsiert, offensichtlich verunsichert. »Ich weiß – streng geheim!« Sie blinzelte Caccini fragend zu. »Und was ist in der Wand? Eine Schatztruhe? Eine Leiche?«, fragte sie in einem Tonfall, der ihre Befürchtung verriet, mit dem Scherz womöglich allzu nah an der Wahrheit zu sein.
II
Der Keller wurde von Deckenlampen beleuchtet, die mit ihrem kärglichen Licht die Räume eher noch verdunkelten als erhellten. Erst als wir unsere Taschenlampen anknipsten, bekamen wir einen Überblick über die Säulengänge.
Die Kammer war winzig klein und mit alten Büromöbeln, aufgerollten Wandkarten und einem Globus vollgestellt, der aus Kolumbus’ Zeiten hätte stammen können. Die Mannschaft, mit der wir angerückt waren, brauchte eine halbe Stunde, um den Raum auszuräumen, die Scheinwerfer zu installieren und den Druckluftbohrer und das übrige benötigte Material herbeizuschaffen. Die Chefbibliothekarin verfolgte die Arbeit mit Skepsis. Allein ihr Respekt für Bernardo Caccini und Fabrizio Biniscotti hielt sie davon ab, zu protestieren.
Die beiden Seitenwände und die Gewölbedecke waren weiß gekalkt. Die hintere Wand war gemauert. Laut Nostradamus sollte die Truhe sich genau dort befinden.
Nick Carver nickte den Handwerkern zu, die mit dem Pressluftbohrer auf die Steinwand losgingen. Sie entfernten Stein um Stein, bis der schmale Hohlraum dahinter freigelegt war. Der muffige Kellergeruch mischte sich mit trockenem Steinstaub.
III
Die Truhe stand auf einem Eisenrahmen auf dem Boden des Hohlraumes hinter der Steinwand.
Solide. Schwer. Mit einem Handgriff an beiden Enden. Ein eingebautes Schloss war mit einem dicken Eisenband verbunden, das kreuzweise um die Truhe gespannt war.
»Eine Truhe?«, fragte die Chefbibliothekarin neugierig.
»Leider keine Leiche«, scherzte Nick Carver, um von den Fragen abzulenken, die er schon kommen ahnte und so lange wie möglich hinauszögern
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