Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
analysiert hat, wissen wir hoffentlich mehr. Oder auch nicht.«
Das Walkie-Talkie, das an der Wand hing, begann zu knistern.
»Base to Carver.«
Nick Carver streckte sich nach hinten und nahm es herunter.
»Carver to base – receiving.«
Durch das Rauschen hindurch hörten wir eine Stimme mitteilen, dass Operation Alpha soeben abgeschlossen worden sei und Operation Beta demnächst starten solle.
»Alpha«, erklärte William Blackmore, »bedeutet, dass der Meteorit jetzt in der Bleikiste verstaut ist, in der er transportiert werden soll. Beta ist der nächste Schritt, nämlich, die Kiste mit Hilfe eines Bulldozers durch den Tunnel aus der Sphinx zu holen.«
Wir hatten uns unter dem malträtierten Gesicht der Sphinx versammelt, als der Bulldozer aus dem Tunnel kam. Vorne auf der Schaufel stand die Bleikiste. Anderthalb Meter hoch und breit. Nicht sonderlich spektakulär. Kein Regenbogen. Kein leuchtendes Flimmern der Luft. Keine Sphärenmusik.
Nichts.
Der Bulldozer fuhr langsam an uns vorbei. Ich schloss die Augen – und spürte nichts. Nicht einmal ein Flüstern Gottes. Kein Aufblitzen der Zukunft.
Nichts.
Auf einem wartenden Lastwagen stand ein gepolsterter Container. Der Bulldozer senkte die Schaufel und schob die Bleikiste hinein.
» Base to Carver« , krächzte die Stimme im Walkie-Talkie. Operation Beta war abgeschlossen.
»Mit Operation Gamma beginnen«, antwortete Nick in das Walkie-Talkie, obwohl er es genauso gut hätte rufen können. Wahrscheinlich gehörte das dazu.
»Sie wissen hoffentlich, was Sie da tun«, sagte Angelica.
Nick Carver sah sie fragend an.
»Wenn Sie damit an die Öffentlichkeit gehen«, fuhr sie fort. »Sie werden den Glauben zerstören! Den Glauben an Gott auf neurale Impulse reduzieren. Damit machen Sie die Offenbarungen zu Halluzinationen. Wunder zu Wahnideen. Damit vernichten Sie alles Heilige.«
Eine Windbö brachte eine Sandwolke mit sich.
»Oh, ich weiß nicht«, sagte William Blackmore. »Der Glaube ist stärker als das Wort. Menschen haben zu allen Zeiten geglaubt. In allen Kulturen. Von Afrika bis zu den Inseln der Südsee. Menschen haben immer ihre Götter verehrt und sich ihre Himmelreiche gesucht. Der Mensch ist genetisch dafür disponiert zu glauben. Der Glaube liegt in uns. Warum? Weil ein Gott diesen Glauben in uns gepflanzt hat? Oder weil es unser innigster Wunsch ist, dass es einen Gott gibt, einen Sinn, einen Zusammenhang, einen Schöpfer, einen Initiator. Und vor allen Dingen: eine barmherzige Vaterfigur, die uns nach dem Tod erwartet, tröstet, unseren Schmerz lindert und den Tod zu einem Übergang macht – nicht zu einem Abschluss.«
Angelica sah ihren Ehemann an, als wollte sie ihn um Unterstützung bitten. Dann schüttelte sie den Kopf, sprachlos.
»Ich weiß genau, was passieren wird, wenn wir die Neuigkeiten über den Meteoriten und die Bundeslade öffentlich machen«, sagte William Blackmore. »Die Atheisten werden sagen: Haben wir’s nicht gesagt? Und die Gläubigen werden« – er lächelte – »weiter glauben. Genau wie vorher. Der Glaube wohnt in uns. Entweder geben wir uns ihm hin oder nicht. Der Glaube ist eine Sehnsucht. Eine Hoffnung. Und Sehnsucht und Hoffnung wird der Mensch immer in sich tragen.«
Sehnsucht und Hoffnung.
Ja, ja. Das ist doch was.
In der späten Nachmittagssonne stand die Hitze flirrend in der Luft. Wir verteilten uns auf die wenigen Schattenflecken. Zufällig – oder auch nicht – landeten Angelica und ich am selben Schattenplatz.
Im Schatten der Sphinx.
Sie sah so zerbrechlich aus. Zerbrechlich und zierlich. Ich hätte sie am liebsten an mich gezogen und in den Arm genommen.
Ich schaute in den Himmel. Wo es früher einmal von Göttern gewimmelt hatte.
»Wie geht es Silvio?«, fragte ich, um das aufgeladene Schweigen zwischen uns zu brechen.
»Er wacht immer noch von Albträumen auf. Aber ich weiß nicht, wie viel er von dem Ganzen überhaupt begriffen hat.« Sie lächelte vor sich hin. »Er schickt mir begeisterte SMS aus Disneyland. Er ist mit seiner Großmutter in Paris. Um zu vergessen.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Er war bei einem sehr guten Psychologen. Ich denke, er wird sich wieder fangen.«
»Und du?«
»Ich?« Sie sah mich an. »Ich kann nicht klagen. Oder doch, ein bisschen. Ich habe aufgehört zu rauchen.«
Angelica. Mein Engel.
Ich stand da und betrachtete sie insgeheim.
So unfassbar schön. So unfassbar verheiratet. So unfassbar unwiderstehlich. So
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