Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
gläubig«, fuhr Nick fort. »Sie glaubten auch an Magie und praktizierten sie. Astrologie. Alchemie. Sie verehrten und erforschten das Okkulte. Das Verborgene, Mystische. Kräfte, die sich nicht erklären ließen und für die wir heute noch keine Erklärung haben. Der Meteorit war magisch. Für sie. Ein okkultes Heiligtum.«
Angelica warf mir einen fragenden Blick zu. Kapierst du was?
Professor Moretti räusperte sich. »Meinen Sie, dass dieser Meteorit auf gewisse Weise die Naturgesetze aufgehoben hat?«
»Nein, keineswegs. Die Naturgesetze sind absolut«, sagte Blackmore. »Aber was wissen wir eigentlich über die Naturgesetze? Selbst im Jahr 2012? Die Ägypter dürften es definitiv so erlebt haben, als hätte der Meteorit die Grenze zwischen Wirklichkeit und überirdischer Magie weggewischt.«
»Warten Sie …«, sagte Angelica und breitete die Arme aus. »Helfen Sie mir zu verstehen. Ich deute Ihre Aussage so, dass dieser Meteorit dazu beigetragen hat, dass die Ägypter glaubten, sie könnten in direkten Kontakt mit ihren Göttern treten und in die Zukunft schauen. Aber wo kommt unser Gott da ins Bild? Auch wenn Moses einige Jahre in Ägypten gelebt hat, ist es doch noch ein weiter Schritt von den unzähligen ägyptischen Göttern zum Gott Jahve, wie wir ihn aus dem Alten Testament kennen.«
William Blackmore nickte nachdenklich. »Lange bevor das Judentum eine Religion wurde, öffnete der Meteorit den alten Ägyptern die Pforte zum Reich der Götter. Zu der Zeit hatten alle ihre eigenen Götter. Götter für Wind und Wetter, Götter für gute Ernten, Götter für Fruchtbarkeit. Manche Götter waren an bestimmte Regionen und Gebiete geknüpft, andere an bestimmte Völker oder Stämme. Die Wurzeln des Glaubens an den allmächtigen Jahve sind wohl eher in der mesopotamischen Götterwelt zu finden als in der ägyptischen. Viele Religionen und Götter entstammen älteren Religionen und Gottheiten. Der Meteorit hat jedem ermöglicht, seinen Göttern zu begegnen. Die Ägypter trafen ihre Götter, wie die Juden tausend Jahre später ihren Gott trafen: Jahve.«
»Viele Götter in einem kleinen Meteoriten«, sagte Angelica.
»Oder keiner!«, sagte ich.
»Oder keiner«, wiederholte William Blackmore.
Er sah mich mit einem Blick an, der sagte: Du hast es verstanden, Bjørn . Obgleich ich ehrlich gesagt nur die Konturen dessen erahnte, was er uns zu erklären versuchte.
Blackmore strich sich über die Bartstoppeln. »Das abrahamitische Projekt, alle Götter in einer allmächtigen Gottheit zu vereinen, war extrem ambitiös. Man wollte die Heerschar ungleicher und widerspenstiger Götter aus dem Weg haben und alle Macht in einem einzigen Gott zusammenführen. Jahve. Unser Herrgott , wie wir ihn heute in unseren Kirchen nennen. Und der Gott, dem wir in den Büchern Mose begegnen, ist im Vergleich zu seinen Konkurrenten kompromisslos und greift hart durch:
Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! 38
Du sollst ihre Götter nicht anbeten noch ihnen dienen noch tun, wie sie tun, sondern du sollst ihre Steinmale umreißen und zerbrechen. Aber dem HERRN , eurem Gott, sollt ihr dienen. 39
Klare Worte. Und er scheut weder Zuckerbrot noch Peitsche:
Denn ich, der HERR , dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten. 40
Zweifellos eine gelungene Kombination aus Drohungen und Versprechungen. Fast vier Milliarden Menschen gehören heute dem Kulturkreis an, der sich zu dem Gott bekennt, der der abrahamitischen Religion entspringt.«
»Und welcher Gott steckte nun in dem Meteoriten?«, fragte Angelica.
»Alle. Oder keiner«, sagte William Blackmore. »Alle, die die Kraft des Meteoriten gespürt haben, füllten ihre Visionen mit ihren Göttern und Vorstellungen. Die Ägypter begegneten Amun-Re und Osiris. Die jüdischen Propheten sprachen mit dem Herrn. In den hinterher gedeuteten und festgehaltenen Visionen beschrieben die Propheten ihre Erlebnisse als Offenbarungen. Aber jeder erlebte es anders. Ein Wikinger hätte Odin getroffen. Die Mayas hätten Hunahpu und Xbalanque vor Augen gehabt. Ein Grieche wäre Zeus
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