Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
sagte Ficino und reichte mir das Glas.
Ich zitterte beim Trinken so, dass das Eis im Glas klirrte.
»Ich weiß, wer Sie sind und was Sie so treiben, Beltø«, sagte Ficino so ruhig, als wäre nichts passiert.
Ich selbst konnte an nichts anderes denken als an Professor Moretti und Angelica und begnügte mich damit, ihn fragend anzusehen.
»1958 habe ich eine untergeordnete Stellung im Archiv der Glaubenskongregation der römischen Kurie bekommen. Im Vatikan. Ich hatte ein gewisses Talent für unverständliche Dokumente. Unleserliche Handschriften. Chiffren. Solche Sachen. Meine Funktion war unbedeutend und mein lockerer Lebenswandel damals leider unvereinbar mit der Lehre der Kirche. Aber das ist alles nicht von Bedeutung. Heute diene ich dem Herrn in einer kleinen Dorfgemeinde in den Hügeln nördlich von Florenz. Aber auch das ist nicht wesentlich.«
Ich trank noch einen Schluck. Meine Hand zitterte. Durch die Tür sah ich die Rezeption.
»Während meiner Zeit in der Glaubenskongregation war ich für das Kopieren und Verteilen vertraulicher Dokumente zuständig, wodurch ich Zugang zu gewissen Geheimnissen bekam. Ich will und kann nicht auf alles eingehen. Aber eines dieser Geheimnisse muss die Welt erfahren! Die Bundeslade! Darum geht es hier. Es gibt sie wirklich! Ich sehe Ihnen Ihre Skepsis an. Sie halten mich für einen fanatischen alten Kauz. Aber in meinem Fall geht es nicht ums Glauben – ich weiß , dass es sie gibt. Nostradamus ist in der Schrift Mirabilis liber darauf gestoßen.«
»Hören Sie, die Bundeslade ist ein Konstrukt der Bibel. Eine religiöse Allegorie, ein Symbol für das Allerheiligste. Und sollte es im Laufe der Geschichte jemals einen Schrein mit dem Namen Bundeslade gegeben haben, so verschwand dieser vor rund 2500 Jahren aus Salomos Tempel, als die Babylonier Jerusalem angegriffen haben. König Nebukadnezar hat diesen Schrein als Kriegsbeute mitgenommen, wenn die Juden ihn nicht vorher gerettet haben. Dann wäre er in Äthiopien gelandet. Oder sonst irgendwo, falls er nicht zerstört wurde.«
»Die Wahrheit ist ganz einfach: Die Bundeslade wurde nie zerstört. Der Schrein befindet sich im Vatikan.«
»Haben Sie die Bundeslade gesehen?«
»Sind Sie verrückt? Aber ich habe viele Dokumente über dieses Heiligtum und die Jagd nach den Steintafeln, die darin liegen sollen, gelesen. Unerlaubterweise, das gebe ich gerne zu. Die Tempelritter haben die Bundeslade gefunden und sie dem Papst übergeben. Aber Clemens V . war überzeugt davon, dass sie ihm den Inhalt unterschlagen hatten.«
»Den Inhalt der Bundeslade?«
»Die Lade als solche ist ja nur ein Schrein, um den wichtigen Inhalt zu transportieren: die zwei Steintafeln mit den Zehn Geboten, den heiligen Stab von Moses Bruder Aaron und einen Krug mit Manna, die Nahrung, die Gott den Juden während ihrer Wüstenwanderung geschenkt hat. Laut Papst Clemens V . hatten die Tempelritter diese Kleinode versteckt. Deshalb hat der Papst mit Hilfe des französischen Königs die Tempelritter festgesetzt und schließlich den ganzen Orden aufgelöst. Mit Folter versuchte er den Rittern zu entlocken, wo sie die heiligen Gegenstände versteckt hatten. Aber sie haben nichts verraten. Das waren mutige Männer. Mutig und stark. Oder sie wussten die Antwort nicht. Es ist durchaus möglich, dass die Lade leer war, als die Tempelritter sie in Jerusalem gefunden haben. Nostradamus war dem Inhalt dieses Schreins, den Steintafeln, auf der Spur. Ich glaube, er kannte ihr Versteck.«
Morettis Geschichte (I)
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ZWISCHENSPIEL: VICARIUS FILII DEI
MÖNCHSKLOSTER MONTECASETTO
MONTAGVORMITTAG
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D unkelheit … Alles, was er wahrnimmt, ist der Lärm. Die Vibration des Helikoptermotors und der Rotoren.
Und die Gerüche: Motorenöl. Schweiß.
*
Lorenzo?
Die Stimme seiner Mutter.
Er hört sie durch das Dröhnen des Motors so klar wie an jenem Tag vor fast sechzig Jahren.
Eindringlich: Lorenzo? Wo bist du?
Ein Freund, an dessen Namen er sich nicht mehr erinnern kann, hat ihn im engen Nachtschränkchen im elterlichen Schlafzimmer eingesperrt. Gualtiero? Guglielmo? Sie hatten Verstecken gespielt. Als der Kamerad sein Versteck entdeckt hatte, machte er sich einen Spaß und verriegelte die Tür. Gregorio?
Der Puls hatte in seinen Ohren gehämmert, während er gegen die immer schlimmer werdende Klaustrophobie angekämpft hatte. Er kann noch heute das Gefühl der Panik in sich
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