Das Nostradamus-Testament: Thriller (German Edition)
Saint-Rémy-de-Provence geboren. Ursprünglich hieß sein jüdisches Familiengeschlecht Gassonet, aber alle Juden in der Provence mussten sich katholisch taufen lassen, um nicht verfolgt oder ausgewiesen zu werden. Die Familie nahm deshalb den Namen Nostredame an, den er später in die lateinische Form Nostradamus umwandelte. Michel wohnte in Saint-Rémy bis er sechzehn Jahre alt war. Er war ein aufgeweckter Junge, der in Avignon Grammatik, Rhetorik, Logik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie studierte. Alles auf Latein. An der Universität von Montpellier machte er dann noch die Ausbildung zum Arzt. Sein Examen legte er im Alter von 22 Jahren ab und kaufte sich einen viereckigen Hut, der seine Qualifikation als Arzt dokumentierte.
In dieser Zeit begann er als Pestarzt zu arbeiten. Tragischerweise starben seine Frau und seine beiden Kinder genau an dieser Krankheit. Von Trauer erfüllt, machte er sich auf eine weite Reise durch Frankreich und Italien. Später zog er nach Salon-de-Provence, wo er die reiche Witwe Anna Ponce Gemelle heiratete. Gemeinsam bekamen sie drei Söhne und drei Töchter. Er wurde schließlich Hofarzt der französischen Könige Heinrich II., Franz II. und Karl IX. und ein enger Vertrauter von Königin Katharina, auch sie eine Medici. Die Geschichte ist voller Glückstreffer und verborgener Zusammenhänge.
III
»Nostradamus schrieb seinen ersten Almanach 1550«, erklärte Professor Moretti.
Draußen hörte man in der Ferne einen Helikopter.
»Schnell wurden die Almanache ungemein populär. Sie enthielten nicht nur nützliche Informationen über Sonnenstände und Mondphasen, sondern auch Prophezeiungen über Geschehnisse im kommenden Jahr. Sachen, die man gerne wissen wollte.«
Das zunehmende Knattern der Rotoren wurde langsam störend.
»Der Erfolg spornte Nostradamus an, pro Jahr mehrere solcher Almanache herauszugeben. 1555 begann er dann mit einer ganz neuen Serie: Les Prophéties .«
Der infernalische Lärm ließ nun keinen Zweifel mehr daran, dass der Helikopter im Begriff war zu landen. Der Landeplatz des Kulturzentrums war eigens auf Wunsch von Berlusconi gebaut worden, der zur Eröffnung eingeflogen war, sich seither aber nie wieder hatte blicken lassen.
Die Rotoren verstummten.
Professor Moretti fuhr fort: »Über seinen Freund Gouverneur Claude de Savoie wurde Nostradamus zu Königin Katharina von Frankreich bestellt. Er reiste schnurstracks nach Paris und kam unter den Schutz der Königin. Ohne sie und andere mächtige Freunde wäre er sicher gleich Opfer der Inquisition geworden, die Weissagungen als gottlos erachtete.«
Lautes Rufen am Eingang. Der Professor breitete bedauernd die Arme aus. Plötzlich wurde die Flügeltür des Auditoriums aufgetreten.
IV
»Sitzen bleiben! Keiner rührt sich!«
Sie waren zu neunt. Bewaffnet.
Schwarze Uniformen, die irgendwie altmodisch wirkten und an Ninja-Krieger erinnerten. Sturmhauben.
Irgendwo im Saal begann jemand zu schluchzen.
Die Männer wedelten mit ihren Maschinenpistolen herum. Vier von ihnen blieben mit gezückten Waffen an der Tür stehen. Zwei liefen den Mittelgang entlang und suchten das Publikum ab.
Ich verstand nichts. Mein erster Gedanke war: Terroristen! Hier? Das ergab doch keinen Sinn.
Hinter mir brach eine Frau in Tränen aus. Ein Mann kauerte am Boden, die Hände über dem Kopf. Ein älterer Mann kippte jammernd nach vorn und krümmte sich zusammen.
Drei der Männer gingen nach vorn auf die Bühne. »Professor!«, sagte einer von ihnen. »Wenn Sie so freundlich wären, mit uns zu kommen.«
Wenn Sie so freundlich wären?
Professor Moretti wich ein paar Schritte zurück.
Einer der Männer packte ihn an der Schulter, während ein anderer seine Hände mit Plastikstrips fesselte. Der Dritte raffte die Unterlagen des Professors zusammen und steckte sie in eine schwarze Tüte, dann den Laptop samt Kabeln.
Den Laptop mit der Kopie des Nostradamusbriefes.
Während die Männer den Professor zum Ausgang führten und das Auditorium verließen, begann ein Alarm zu heulen. Ich weiß nicht, wer ihn ausgelöst hatte. Gleichzeitig erblickten die zwei Männer, die durch den Mittelgang liefen, diejenige, nach der sie Ausschau gehalten hatten.
Angelica.
»Frau! Los! Komm!«
Die Männer an der Tür riefen sie zur Eile an.
Durch das Heulen der Sirene hörte ich jemanden im Saal hemmungslos schluchzen.
»Frau!«, drängte der Maskierte.
»Hören Sie«, sagte ich und hob die Hände, um die Männer wegzuschieben.
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