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Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Titel: Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tariq Ali
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hielt sich am Rande, während die Neo-Destour-Partei (später: RCD ) zur megalithischen Kraft wurde, mit zwei Millionen Mitgliedern in einem Zehn-Millionen-Volk. 1987 drängte Ben Ali, ein ehemaliger Chef der Sûreté Nationale, den alternden Bourguiba zur Seite. Ben Ali hatte sich im Vorjahr seine Sporen als Innen minister verdient, bei der Niederschlagung der aufkom menden Islamistenbewegung. Als Präsident verstärkte Ben Ali die Polizei, hielt die 35000 Mann starke Armee aber auf Distanz. Das rächte sich 2011; ohne Unterstützung durch das Militär, das sich selbst aus der Innenpolitik weitgehend heraushielt, kollabierte das korrupte System rasch.
    Aus den ersten demokratischen Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung im Oktober 2011 ging die islamistische en-Nahda mit 89 von 217 Sitzen als Siegerin hervor. Das tunesische Volk hat seine Zukunft selbst in die Hand genommen.
    In Ägypten sind die sozialen Probleme noch größer. Ein Fünftel der Bevölkerung drängt sich im Großraum Kairo, die Arbeitsbedingungen sind prekär, bezahlbare Wohnungen kaum zu finden. Als nach dem Fall von Lehman Brothers eine weltweite Wirtschaftskrise ausbrach, verloren viele ägyptische Gastarbeiter in den Golfstaaten ihre Jobs und konnten kein Geld mehr nach Hause schicken. Dieses Geld fehlte an allen Ecken und Enden; noch 2008 kam es wegen steigender Lebensmittelpreise zu ersten Aufständen. Doch erst 2011, inspiriert durch das Vorbild Tunesien, ging das Volk auch in Ägypten massenhaft auf die Straße. Seine Forderungen waren von Anfang an politisch: Beendigung des Ausnahmezustands, Rücktritt des Innenministers Adli und schließlich – nach dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen die Demonstranten am Tahrir-Platz – Rücktritt des gesamten Regimes. Von den Ereignissen in Tunesien er schreckt, versuchte das Weiße Haus, die Vorgänge in Ägypten schon früh zu steuern. Obama und Hillary Clinton forderten, Mubarak – der das Volk 30 Jahre lang geknechtet hatte – »darf nicht gedemütigt werden«. Doch Obamas Versuche, die Protestierenden zu Verhandlungen mit Mubaraks Geheimdienstchef Omar Suleiman zu verlocken, scheiterten. »Keine Verhandlungen, bis er weg ist«, erklärten die jungen Widerständler: Liberale, linke Gruppen und Muslim brüder. Unter dem Druck der Straße musste Washington immer weiter zurückweichen: Nichts wurde aus »geordnetem Übergang«, nichts aus der geplanten Übergabe an den Chef-Folterknecht Omar Suleiman. Als Mubarak dann am 11. Februar 2011 abdankte (was dem Kongress bereits vom CIA -Chef angekündigt worden war), übernahm, auch auf Drängen Washingtons, ein Militärrat die Macht. Der versicherte als Erstes gleich, er wolle alle internationalen Verträge Ägyptens weiter erfüllen, insbesondere den Vertrag von 1979. Es werde also weiterhin subventionierte Gasverkäufe an Israel geben sowie freie Fahrt durch den Suezkanal für israelische Atom-U-Boote und amerikanische Flugzeugträger auf dem Weg Richtung Afghanistan und Irak.
    Seit dem Putsch der Freien Offiziere 1952 war die ägyptische Armee immer eine tragende Säule der Macht gewesen; seit 1979 erhält sie ihre Ausbildung, Waffen und Bezahlung vom Pentagon. Mit dem Regime war die Armee schon länger unzufrieden. Aufgrund des guten Verhältnisses der ägyptischen Generale zu ihren amerikanischen Kollegen bekamen sie schließlich grünes Licht für die Absetzung Mubaraks. Die »gemäßigte Opposition« im Land – el-Baradei, Aiman Nur, die Führung der Muslimbruderschaft – hatte die Aufständischen schon früh ermahnt, die Kommandostruktur des Militärs zu respektieren, also nur mit der Armeeführung zu verhandeln, nicht mit fortschrittlicheren Offizieren weiter unten in der Hierarchie. Das geschah dann auch, und es entstand ein politisches Zwitterwesen, wie Asef Bayat in seinem Artikel »Refo-lutions« auf der Website von Jadaliyya schön analysierte: Einerseits ging der Wandel in Tunesien und Ägypten weit über Reformen hinaus – die Herrscher wurden zum Teufel gejagt, nicht zu Veränderungen gezwungen –, andererseits fehlten den Aufständischen Parteien und Massenorganisationen, die sie gebraucht hätten, um einen eigenen Machtapparat aufzubauen. Folglich blieben die Institutionen des alten Staats mehr oder weniger intakt: Polizei, Militär, Ministerialapparate, Medien, die herrschende Partei. Und auf sie haben die Aufständischen nur wenig Einfluss. Der Vorteil daran ist, dass der Staat nicht zusammenbrach und die

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