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Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Titel: Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tariq Ali
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mit Billigung der Briten. Die Bevölkerung zeigte zwar gewisses Wohlwollen, war aber nicht begeistert. Gaddafi besetzte Schlüsselpositionen des Staates mit seinen Leuten und verwendete die Öleinnahmen, um die Sicherheitskräfte zu erweitern und eine neue Stammeselite aufzupäppeln. In seinem Grünem Buch schwang Gaddafi anti-imperialistische Reden, doch ernsthafte soziale und politische Reformen unterließ er. Am krassesten zeigte sich seine Strategie, das Land absichtlich nicht zu modernisieren, in seiner sorgfältigen Pflege der byzantinischen Stammesstrukturen im Land. Nach verschiedenen Versuchen, ihn abzusetzen, wurde die Armee in den Tschad geschickt, wo sie 1986 von Frankreich und den USA vernichtend geschlagen wurde. Das Militär kam aufs Abstellgleis und wurde faktisch durch Elitebrigaden unter dem Kommando von Gaddafi-Söhnen ersetzt. In westliche Zirkel wurde Gaddafi wieder aufgenommen, als er Mitte der 1990er-Jahre aus Afghanistan zurückkehrende Dschihadisten mit mörderischer Gewalt unterdrückte und diese Repression später auf Salafisten und Muslimbrüder ausweitete. Islamisten wurden massenweise verhaftet und gefoltert; bei einem Gefangenenaufstand im Busalim-Gefängnis starben mehr als tausend von ihnen. Beeindruckt von seinem Umgang mit den Dschihadisten nahm die CIA wenig später Kontakt zu Gaddafi auf. 2003 war Gaddafi bereits ein wichtiger Verbündeter des Westens im Krieg gegen den Terror.
    Entsprechend heterogen ist die Opposition gegen Gaddafi: verfolgte Islamisten, unzufriedene Cyrener aller Schichten, Liberale, Progressive, Überläufer aus dem Regime, Generale der unterfinanzierten Armee. Es heißt, der Oberst sei erstaunt darüber gewesen, dass seine neuen Freunde aus dem Westen ihn bei Ausbruch der Rebellion so schnell fallen ließen. Natürlich habe er mit Waffengewalt reagieren müssen: »Was haben die denn erwartet? Es ist eine bewaffnete Rebellion.«
    Bald wurde im Westen der Ruf nach einer Flugverbotszone über Libyen laut. Die Motive waren nicht immer edel: Die kriegstreiberischste Ideologie des liberalen Imperialismus – die des militärischen Humanitarismus – stimmte in den gleichen Chor ein wie Nicholas Sarkozy, der dringend die Aufmerksamkeit der Medien davon ablenken musste, wie kuschelig das Verhältnis zwischen seiner Regierung und Ben Ali gewesen war. Auch die reaktionärsten arabischen Kräfte, die perfiden Monarchien des Golf-Kooperationsrats, schlugen kräftig die Kriegstrommeln (mit enthusiastischer Unterstützung durch al Dschasira): Saudis und Katarer verfolgten persönliche Motive – Gaddafi war ihnen mit seinen bizarren Auftritten schon lang auf die Nerven gegangen. (Bei einem arabischen Gipfeltreffen soll ein saudischer Prinz ihn einmal angeblafft haben: »Wir wissen ja alle, welche Intelligence Agency Sie installiert hat.«) Für die arabische Liga gab Moussa ein zögerliches Okay. Der Libanon, nun unter einer von Hisbollah gestützten Regierung, schlug die Resolution des UN -Sicherheitsrats vor, mit der der Angriff legitimiert wurde. In der Financial Times verbat sich Paddy Ashdown, zuletzt UN -Generalgouverneur von Bosnien und Herzegowina, jegliches Gerede von einer Demokratisierung Libyens. Die würde nur die Verbündeten vom Golf verschrecken. Als die ersten Raketen der Operation bereits flogen, schlugen besagte Golfstaaten gerade in Bahrein den Protest vor ihrer Haustür nieder. Die NATO bombardiert Libyen aus einem einzigen strategischen Grund: um die Kontrolle über das Gebiet zurückzuerlangen, um wieder stabile Verhältnisse herzustellen und den arabischen Völkern einzubläuen, dass alle Veränderungen nur mit Genehmigung der USA stattfinden.
    Nach dem Sieg der Rebellen über Gaddafi übernahm ein Nationaler Übergangsrat die Macht – teilweise zumindest. Und wer saß dem Leitungsgremium, dem Nationalen Exekutivrat, vor? Mahmoud Jibril. Am 15. März 2011, drei Tage vor Beginn des Bombardements, hatte Jibril, ein Absolvent der Universität von Pittsburgh, sich mit Hillary Clinton getroffen. Wieder hat es also der Westen geschafft, eine Marionette zu installieren, genau wie zuvor Idris I. und auch Gaddafi. Für die Libyer kann das nur schlimm enden. Die Progressiven in Europa und Amerika, die Krieg sonst strikt ablehnen, werden vielleicht noch bereuen, dass sie die »humanitäre« Mission in Libyen befürwortet haben.
    In Bahrain, einem US -Marinestützpunkt, begannen die Demonstrationen am 14. Februar 2011 mit ein paar Hundert Aktivisten, die den

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