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Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Titel: Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tariq Ali
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entgeistert anstarrte, beeilte sich der Regierungschef zu versichern: 20 Prozent sind für den Präsidenten.
    Um die Bedrohung durch die AQAP einzuschätzen, wollte ich herausfinden, wie viele Mitglieder die Organisation im Jemen hat und wie viele von ihnen über die Grenze aus Saudi-Arabien ins Land kommen. Der 75-jährige Abdul Karim al-Iryani war früher Ministerpräsident und ist heute noch ein Berater des Präsidenten. Er empfing mich in der großen Bibliothek im Erdgeschoss seines Hauses. Er erging sich zunächst in langen und interessanten Ausführungen über die Geschichte des Jemen, wobei er die Kontinuität von der vorislamischen zur islamischen Kultur betonte. Zu seinem Bedauern speise sich der Wortschatz des modernen Schriftarabisch vor allem aus dem Dialekt, den die Beduinen des Nadschd (heute ein Teil Saudi-Arabiens) sprechen. Leider hätten die Lexikonschreiber 5000 Wörter des Dialekts der Sabiner (die im heutigen Jemen leben) nicht aufgenommen, obwohl dieser die eigentliche Wurzel des Arabischen sei.
    Später erzählte er mir, dass ihm der Attentäter aus Nigeria einen Besuch von Thomas Friedman beschert hat. Der berühmte Kolumnist der New York Times habe ihm seine Fragen gestellt, um dann in seiner Zeitung zu schreiben, Sana’a sei zwar »noch nicht Kabul«, aber die AQAP sei ein »Virus«, den man genau beobachten müsse, um eine unkontrollierbare Epidemie zu verhindern. Zu den Ursachen der Infektion sagte al-Iryani nichts. Meine Frage nach der Stärke der AQAP entlockte ihm zunächst nur ein vages Lächeln. Ich bohrte weiter: »Reden wir von 300 Leuten, von 400?« »Höchstens«, meinte er, »allerhöchstens. Die Amerikaner übertreiben enorm. Wir haben andere Probleme, die real und sehr viel dringlicher sind.«
    Derselben Meinung ist Saleh Ali Ba-Surah, der Minister für das höhere Bildungswesen. Der Mann hat, wie viele Größen der ehemaligen Volksrepublik Südjemen, in der früheren DDR studiert. Seit 1990 wird die wiedervereinigte Republik Jemen von Ali Abdullah Saleh regiert, der nach dem Vorbild von Mubarak und Gaddafi seinen Sohn zu seinem Nachfolger aufbaut. Die beiden Teile des Jemen waren über weite Strecken des 20. Jahrhunderts äußerst unterschiedlich. Das Hochland des Nordens, in dem auch die Hauptstadt Sana’a liegt, wurde von bewaffneten Stämmen dominiert; im Süden dagegen, also im Hinterland der Hafenstadt Aden, prägten Gewerkschafter, Intellektuelle, arabische Nationalisten und später Kommunisten das politische Leben.
    Jahrhunderte zuvor war der Jemen unter der Führung von Imamen der Zaiditen (oder Fünfer-Schiiten) vereinigt worden, deren Herrschaft auf Stammesloyalitäten und einer duldsamen Landbevölkerung basierte. 1728 löste sich der Süden aus diesem Herrschaftsverband. 1839 wurden Aden und die umliegende Küste vom expandierenden Britischen Empire erobert (das im selben Jahr auch Hongkong einnahm). Kurz darauf nahm sich das bereits angeschlagene Osmanische Reich einen Teil des Nordens, den es aber nach dem Ersten Weltkrieg wieder abgeben musste.
    Danach kamen, unter wohlwollender Duldung der Briten, im Norden erneut die zaiditischen Imame der Familie Hamid ad-Din an die Macht. 1948 wurde der Herrscher Yahya Muhammad von seiner Leibwache ermordet, was seinen Sohn Ahmad an die Macht brachte. Dieser war ein Isolationist, ihm war ein armer und freier Jemen lieber als ein reicher und abhängiger. Doch das Volk hatte bald genug von diesem exzentrischen, morphiumsüchtigen Herrscher, der die meiste Zeit im Kreis von Hofschranzen in einem neonbeleuchteten Raum mit seinem Spielzeug verbrachte, das er seit frühester Jugend gesammelt hatte. Im ganzen Land gab es keine einzige moderne Schule, keine Bahnlinie, keine Fabrik und kaum Ärzte.
    Ahmad lehnte Nassers arabischen Nationalismus ab, mit dem aber eine starke Fraktion in der Armee sympathisierte. Als er 1960 unter dem Einfluss der Saudis im staatlichen Rundfunk gegen Nasser wetterte, reagierte Radio Kairo mit einer Art Kriegserklärung. Bevor die Situation eskalieren konnte, starb der Herrscher – und die Dynastie der Imame war am Ende. Die Macht übernahm der Anführer von Ahmads Leibwache, unterstützt durch nationalistische Offiziere.
    Als daraufhin in Aden Tausende für das neue Regime im Norden auf die Straße gingen, fürchteten die Briten um ihr koloniales Besitztum im Süden. Und in Washington und London wuchs die Angst vor einem radikalen arabischen Nationalismus und seinen kommunistischen Unterstützern.

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