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Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Titel: Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tariq Ali
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Leiden zu nennen. Da habe er sich für die Verstopfung entschieden, weil die wehgetan habe.
    Alle Notaufnahmen sind vom Gesetz her verpflichtet, auch unversicherte Patienten zu untersuchen und eine Erstbehandlung durchzuführen. Doch »Erstbehandlung« lässt sich sehr weit definieren. Oft sehen wir Patienten mit akuten Knochenbrüchen, die in einem privaten Krankenhaus diagnostiziert wurden. Die Patienten kommen zu uns mit geschienten Gliedmaßen und Röntgenbildern in der Hand an und sagen: »Ich hatte keine Versicherung, also wies man mich an, mich hier weiterbehandeln zu lassen.« Wenn wir Patienten nach einem schweren Herzinfarkt für eine Herzkatheterisierung in ein nahegelegenes privates Krankenhaus überweisen wollen, verlangt das vorher, ein »Datenblatt« mit den wichtigsten Patienteninformationen – Name, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer und Versicherungsstatus – gefaxt zu bekommen. Solange private Krankenhäuser Kapazitäten haben, sind sie gesetzlich verpflichtet, Patienten anzunehmen, die kompliziertere Behandlungen brauchen (wie etwa die Herzkatheterisierung, die unser Haus nicht anbietet). Doch oft erklärt man uns einfach, es gebe keine freien Betten. Bei nichtversicherten Patienten passiert das viel häufiger als bei versicherten.
    In Amerika klafft eine riesige Lücke zwischen dem, was wir pharmazeutisch und medizinisch können, und dem, was wir tatsächlich leisten. Die meisten Anträge auf Zulassung neuer Medikamente werden in Bereichen gestellt, wo es bereits gute Arzneien gibt. Wir benötigen keine neuen Mittel gegen Diabetes, wir brauchen Untersuchungen darüber, wie wir es schaffen können, dass die Diabetiker die existierenden Mittel erhalten und einnehmen. Unser Gesundheitssystem hat eine gewaltige Kohorte von Patienten erzeugt, deren Krankheiten korrekt diagnostiziert sind, die aber nicht oder nur unzureichend behandelt werden. Hier geht es nicht um medizinische Fragen, sondern um soziale. Die Barrieren vor einer angemessenen Gesundheitsversorgung sind zahllos, und nicht alle sind Folge des Systems. Einmal behandelte ich eine vermutlich schizophrene Obdachlose, die sich einen Knoten in der Brust ansehen lassen wollte. Sie musste ihn seit Jahren gehabt haben – und hatte mittlerweile ihren halben Brustkasten ausgefüllt. Einmal brachte ein Krankenwagen einen Mann, der erst dann um Hilfe bat, nachdem seine Beine aufgrund von Herzschwäche und Blutpfropfen so angeschwollen waren, dass er nicht mehr durch die Badezimmertür passte. Seit einem Jahrzehnt hatte er seine Wohnung nicht mehr verlassen! Da war dann noch der junge Mann, bei dem zwei Jahre zuvor eine leichte Nierenunterfunktion festgestellt worden war. Jetzt kam er wieder, mit derart massiven Komplikationen, wie sie der hinzugezogene Nierenspezialist erst einmal im Leben gesehen hatte: Jahrzehnte zuvor, im ländlichen Indien. Der junge Patient schien durchaus vernünftig – er hatte zwei Jobs und ernährte damit eine Familie in den USA und zwei in Mexiko. Er sprach kein Englisch und hatte bei seinem ersten Besuch nicht verstanden, dass er hätte wiederkommen müssen. Er hatte einfach weiter geschuftet, bis es nicht mehr ging. Diese Patienten werden nicht nur von unserem Gesundheitssystem benachteiligt, sondern zusätzlich von einer ganzen Palette von Faktoren: von Armut, schwachen Sozialdiensten, erbärmlichen öffentlichen Verkehrsmitteln, Drogenmissbrauch, Sprach barrieren und anderem.
    Vor Kurzem wechselte ich im Rahmen meiner Facharztausbildung in die Notaufnahme des Krankenhauses der Uni versität von Kalifornien. Ins San Francisco Medical Cen ter werden Patienten mit verwirrender Symptomatik oder extrem seltenen Krankheiten weiterverwiesen. Manche der Syndrome, an denen vielleicht fünf Menschen in der ganzen Welt leiden, sind nach Wissenschaftlern benannt, die in den oberen Stockwerken dieses Medizinzentrums arbeiten. Das Krankenhaus dient als Transplantationszentrum, und viele Patienten nehmen Medikamente, die ihre Immun abwehr unterdrücken. Das verhindert zwar, dass sie die ihnen eingepflanzten Organe abstoßen, macht sie aber gleichzeitig anfällig für Infektionen, die sich sehr schnell ausbreiten können. Viele der Patienten haben abnorme Herzen oder Lungen. Kürzlich sah ich ein Kind mit so wenig Sauerstoff im Blut, dass seine Lippen blauschwarz waren. Ich wollte ihm schon einen Beatmungsschlauch setzen, da erklärte mir sein Vater, es sehe immer so aus: Herzfehler. Gekommen seien sie wegen Schmerzen im

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