Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
Also beschloss man, die Imame mit Hilfe der Saudis wieder an die Macht zu bringen. Treibende Kraft waren die Briten, die Nasser ihre demütigende Niederlage im Suez-Feldzug von 1956 heimzahlen wollten. In Washington dominierte dagegen die Befürchtung, ein Fehlschlag der Saudis könnte den panarabischen Nationalismus stärken, die jemenitische Krankheit auf die Arabische Halbinsel ausbreiten und so die saudische Monarchie gefährden.
Als die Saudis begannen, die Anhänger des Imams zu unterstützen und konservative Stammesführer des Nor dens mit einer Mischung aus primitivem Islamismus und Geldscheinen zu ködern, fiel die Reaktion der politischen und militärischen Führung des neuen Staates Nordjemen schwach und konfus aus. Nutznießer dieser Schwäche waren die nasseristischen Intellektuellen in der Regierung. Sie konnten die Armee zu einem direkten Appell an Nasser bewegen, der mit Unterstützung der Sowjetunion und Chinas eine ägyptische Expeditionsarmee von 20000 Mann in den Jemen schickte. Damit begann ein langer Bürgerkrieg, in dem sich, vereinfacht gesprochen, Ägypter und Saudis als Stellvertreterarmeen des Kalten Krieges gegenüberstanden.
Der Krieg endete für den Jemen mit 200000 Toten und der totalen Zerrüttung des Nordens. Den ägyptischen Sol daten, die vorwiegend aus dem Niltal stammten, war die jemenitische Bergwelt völlig fremd. Da sie sich aber für unbesiegbar hielten, kümmerten sie sich nicht um die Ratschläge ihrer einheimischen Verbündeten, die in ihren Augen so wieso minderwertig und militärisch unbedeutend wa ren. Das Unternehmen der Ägypter kam nicht voran, dafür wuchs die Kritik an ihren Methoden, zu denen auch der Einsatz chemischer Waffen gehörte. Als die Arbeiter in Sana’a und Taiz auf die Straße gingen, wurden ihre Demonstrationen brutal niederschlagen.
1970 endete der Bürgerkrieg mit einem Kompromiss, der keine Seite zufriedenstellte. Am Schluss hatten sich die Ägypter ein Beispiel an den Saudis genommen und versucht, die Stammesführer mit Geld auf ihre Seite zu ziehen. In der neuen Konstellation hatten dann die Stämme deutlich mehr Macht, ebenso wie die vielen Heiligen und Prediger. Der Krieg hatte die Ägypter Millionen Dollar und 15000 Tote gekostet (dazu noch die dreifache Zahl an Verwundeten). Die demoralisierende Wirkung des Jemen-Feldzugs dürfte einiges zur Niederlage der ägyptischen Armee im Sechstagekrieg vom Juni 1967 beigetragen haben, der dem arabischen Nationalismus den Todesstoß versetzte.
Während des Bürgerkriegs waren viele linke Nationalisten und Kommunisten des Nordens nach Aden geflohen. 110 Auch im Süden war das nationalistische Lager gespalten: Die Front for the Liberation of South Yemen ( FLOSY ) wurde von Kairo unterstützt, die radikaleren Gruppen vereinigten sich zur National Liberation Front ( NF ). Beide wollten die Briten aus Aden vertreiben. Die aber waren entschlossen, ihre strategisch wichtige Basis möglichst lange zu halten, und zwar zunehmend mit Mitteln wie willkürlichen Festnahmen und Folter. 1964 hatte Premierminister Harold Wilson erklärt, die britischen Streitkräfte würden zwar bleiben, aber bis 1968 werde man die Macht an die sogenannte Federation of South Arabia übergeben, in der nach seiner optimistischen Vorstellung die Bevölkerung Adens durch die Sultane des Hinterlands kontrolliert werden könne.
Doch aus dem Plan wurde nichts, nachdem die Royal Air Force mit ihren Bomben ganze Dörfer ausradiert hatte. Der ehemalige Kolonialbeamte Bernard Reilly, der den größten Teil seines Lebens in Aden verbracht hat, formulierte es so: »Ein Land, das keine ordnungsgemäße Regierung kennt, kann nicht befriedet werden, solange es keine Kollektivstrafen für kollektiv begangene Gewalttaten gibt.« Aber die Stammesoberhäupter des Südens ließen sich nicht »befrieden«. 1967 begann ein erbitterter Kleinkrieg in den Straßen von Crater, dem alten, im Krater eines erloschenen Vulkans gelegenen Hafenviertel von Aden. Dabei setzte die NF erstmals Panzerfäuste und Minenwerfer gegen militärische Ziele und Stützpunkte der Royal Air Force ein. Um weitere Verluste zu verhindern, blies die damalige Labour-Regierung zum Rückzug.
Das britische Kolonialministerium musste seinen einheimischen Kollaborateuren »mit Bedauern« mitteilen, dass man ihnen »keinen Schutz mehr gewährleisten« könne. Ein von der NF organisierter Generalstreik legte die ganze Stadt lahm, Guerilla-Attacken zwangen die Kolonialregierung dazu, die
Weitere Kostenlose Bücher