Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
hinein.
    »Da sagen Sie was, Frau Anwältin. Aber ich denke, ich kann diese, nun ja, diese Vorkehrungen alleine treffen, ohne jemanden zu involvieren, der derzeit im Polizeidienst tätig ist. Falls es das ist, worauf Sie hinauswollen.«
    »Das wäre klug.«
    »Dann soll ich also weitermachen?«
    »Am besten machen Sie einen Plan, Mr. Murphy. Und das ist unser Ausgangspunkt.«
    »Ich melde mich«, sagte er.
    Während sie noch den Hörer am Ohr hielt, war die Leitungtot. Sally lehnte sich in ihrem Sessel zurück und fühlte sich zugleich ebenso verunsichert wie beruhigt, was, wie sie wusste, vollkommen unvereinbar war.
     

     
    Es war ein typischer städtischer Friedhof, der in eine vernachlässigte Gegend gelegt worden war, mit einem schwarzen schmiedeeisernen Zaun rundherum. Ich ließ den Blick von einem grauen Grabstein zum nächsten wandern, von einer Reihe zur anderen, und ging die Namen durch. Den Hügel aufwärts nahmen sie an Statur zu. Auf schlichte Granitplatten folgten aufwendige Formen und Gestalten. Auch die eingemeißelten Inschriften wurden länger. Zum Andenken an die
Geliebte Frau und Mutter
oder den
Hingebungsvollen Vater
. Nach allem, was ich über Matthew Murphy erfahren hatte, glaubte ich nicht, dass er unter Posaunenengeln begraben lag.
    Ich lief systematisch die Reihen auf und ab, und merkte bald, wie mir das Hemd am Rücken klebte und ein dünner Schweißfilm auf der Stirn stand. Als ich gerade aufgeben wollte, entdeckte ich einen unscheinbaren Stein mit dem Namen Matthew Thomas Murphy über seinen Lebensdaten. Nichts weiter.
    Ich schrieb mir die Daten auf und blieb einen Moment lang stehen. »Was ist passiert?«, fragte ich laut.
    Nicht einmal ein Lufthauch oder eine Geistervision gab Antwort. Im nächsten Moment wurde mir, mit einigem Ärger, klar, wer mir auf die Frage Auskunft geben konnte.
    Ein paar Häuserblocks vom Friedhof entfernt gab es eine Tankstelle und ein Münztelefon. Ich steckte ein paar Münzen ein und wählte ihre Nummer.
    Als sie sich meldete, nannte ich nicht meinen Namen. »Sie haben mich belogen«, sagte ich gereizt.
    Sie schwieg, und ich hörte, wie sie tief Luft holte. »Inwiefern?«, fragte sie. »
Lügen
ist ein starkes Wort.«
    »Sie haben mir gesagt, ich soll zu Murphy gehen und mit ihm reden. Und jetzt finde ich ihn nicht in seinem Büro, sondern auf dem Friedhof. Wo er Fraß für Maden und Regenwürmer ist. Das klingt mir doch ziemlich nach einer Lüge. Was zum Teufel soll das Ganze?«
    Wieder schwieg sie und wog ihre Worte vorsichtig ab. »Aber was haben Sie gesehen?«, erkundigte sie sich.
    »Ich hab ein Grab gesehen. Mit einem billigen Stein.«
    »Dann haben Sie nicht genug gesehen«, stellte sie fest.
    »Was soll es denn da noch zu sehen geben?«, wollte ich gerne wissen.
    Mit einem Schlag war ihre Stimme kalt, distanziert. Beinahe winterlich. »Schauen Sie genauer hin, viel genauer. Hätte ich Sie ohne Grund dahingeschickt? Sie sehen einen Granitstein mit einem Namen und Daten. Ich sehe eine
Geschichte.«
    Dann legte sie auf.

24
Einschüchterung
     
    Er ging davon aus, dass ein zusätzlicher Tag, den er in Michael O’Connell investierte, mehr als angemessen war.
    Es gab eine Reihe bedeutend schwierigerer Fälle, um die sich Matthew Murphy kümmern musste: Er hatte Fotos von heimlichen Affären zu liefern, Belege für Steuerhinterziehung zu überprüfen, Leute zu beschatten, Leute zu stellen, Leute zu befragen. Er wusste, dass Sally Freeman-Richards nicht zu den betuchteren Anwälten in der Gegend zählte; bei ihr stand keine BMW- oder Mercedes-Limousine vor dem Haus; und ihm war klar, dass seine bescheidene Rechnung einen Anstandsrabatt ausweisen würde. Vielleicht war die Gelegenheit, dem Dreckskerl einen gehörigen Denkzettel zu verpassen, zehn Prozent wert. Wann hatte er denn schon mal Gelegenheit, wie in den guten alten Zeiten einen Typen in die Mangel zu nehmen? Es ging doch nichts über das Vergnügen, den harten Burschen herauszukehren und die alte Pumpe mit einem ordentlichen Adrenalinstoß so richtig auf Trab zu bringen, dachte er.
    Er stellte den Wagen zwei Häuserblocks von O’Connells Wohnung entfernt in einem Parkhaus ab, wo er mehrere Decks hochgefahren war, bis er sich unbeobachtet fühlen konnte. Dann öffnete er seinen Kofferraum. Jeweils in einem eigenen Matchbeutel hielt er eine Reihe von Waffen bereit. In der langenroten Tasche befand sich ein vollautomatisches Gewehr, ein Colt AR-15, mit einem Zweiundzwanzig-Schuss-Bananenmagazin. Das

Weitere Kostenlose Bücher