Das Opfer
gute Stück diente ihm dazu, schnell und zügig den Rückzug anzutreten, wenn es richtig großen Ärger gab, denn die wurde mit jedem Problem fertig. In der kleineren gelben hatte er eine Automatik .380 in einem Schulterhalfter. In einer dritten, schwarzen, verbarg sich ein Revolver .357 mit fünfzehn Zentimeter langem Lauf und teflonbeschichteten Geschossen, die man Cop-Killer nannte, weil sie durch die bei den meisten Polizeieinheiten üblichen kugelsicheren Westen drangen.
Für den anstehenden Auftrag hielt er die .380 für die richtige Wahl. Er konnte noch nicht sagen, ob es genügen würde, sie O’Connell zu zeigen, wozu er nur die Anzugjacke offen zu tragen brauchte. Matthew Murphy war in allen Einschüchterungsmethoden versiert.
Er zog sich das Schulterhalfter über, schlüpfte in ein Paar dünne Lederhandschuhe und übte ein, zwei Mal das altvertraute, schnelle Ziehen der Waffe. Als Murphy sich davon überzeugt hatte, dass er noch über die alte Geschicklichkeit verfügte, machte er sich auf den Weg. Eine leichte Brise wirbelte den Dreck zu seinen Füßen auf. Es herrschte noch gerade genügend Tageslicht, um gegenüber O’Connells Gebäude die passende dunkle Stelle zu finden, und als er sich mit dem Rücken an eine Ziegelwand schmiegte, flackerten die ersten Straßenlaternen auf. Zwar hoffte er, dass es nicht zu lange dauern würde, doch er war ein geduldiger Mann und ans Warten gewöhnt.
Scott hatte das dringende Bedürfnis, sich selbst auf die Schulter zu klopfen.
Auf dem Anrufbeantworter war bereits eine Nachricht vonAshley, die seinen labyrinthischen Anweisungen gefolgt und sicher bei Catherine in Vermont gelandet war. Mit der Entwicklung der letzten Tage konnte er überaus zufrieden sein.
Die Football-Jungs waren zurückgekehrt, nachdem sie Ashleys Sachen in Medford eingelagert hatten. Dabei hatte Scott erfahren, dass wie vermutet ein Mann, dessen Beschreibung auf O’Connell passte, tatsächlich Fragen gestellt und mit einer offensichtlich erfundenen Geschichte verbrämt hatte, bevor er weitergezogen war. Doch seine Erkundigungen waren ins Leere gestoßen. Er würde einem Phantom nachjagen. Die Auskünfte würden im Sande verlaufen.
»Damit hast du wohl nicht gerechnet, Scheißkerl«, triumphierte Scott laut.
Er stand im kleinen Wohnzimmer seines Hauses und legte auf dem abgewetzten Orientteppich ein Tänzchen hin. Im nächsten Moment griff er nach der Fernbedienung seiner Stereoanlage und drückte so lange auf die Knöpfe, bis Jimi Hendrix mit
Purple Haze
aus den Lautsprechern donnerte.
Als Ashley klein gewesen war, hatte er ihr den altertümlichen Ausdruck beigebracht,
eine kesse Sohle aufs Parkett zu legen
, und so kam sie damals, wenn er bei der Arbeit war, und fragte: »Können wir eine kesse Sohle aufs Parkett legen?« Dann brachte er ihr zu seiner Sechziger-Jahre-Musik die alten Modetänze
The Frug
,
The Swim
und den
F. S. F
. bei, die für seinen Geschmack als Erwachsener zu den lächerlichsten Bewegungen gehörten, die sich das Gehirn des Homo faber seit Menschengedenken hatte einfallen lassen. Dann kicherte sie jedes Mal und ahmte ihn nach, bis sie mit kindlichen Lachanfällen zu Boden fiel. Doch selbst dann besaß Ashley noch eine Anmut, die ihn in Erstaunen versetzte. Nie war etwas Unbeholfenes oder Holpriges an ihren Schritten; für ihn war es immer Ballett gewesen. Er wusste, dass er einfach hingerissenwar, so wie es Vätern nun mal mit ihren Töchtern erging, doch er hatte seine Wahrnehmung einer kritischen, akademischen Prüfung unterzogen, die ihn darin bestärkte, dass nichts jemals so schön sein konnte wie sein Kind.
Scott atmete aus. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Michael O’Connell sie jemals in Vermont vermuten sollte. Jetzt, dachte Scott, mussten sie nur noch einige Zeit verstreichen lassen, in einer anderen Stadt ihr weiteres Studium neu organisieren und Ashley einfach da anknüpfen lassen, wo sie aufgehört hatte. Ein kleiner Rückschlag, vielleicht ein verlorenes halbes Jahr, um größere Probleme abzuwenden.
Scott hob den Kopf und sah sich im Wohnzimmer um.
Er fühlte sich plötzlich allein und wünschte sich, es wäre jemand bei ihm, mit dem er seine Hochstimmung hätte teilen können. Keine seiner Eroberungen aus jüngster Zeit, mit denen er essen und auch schon mal ins Bett ging, erfüllte diesen Zweck. Seine eigentlichen Freunde am College waren eingefleischte Akademiker, und er glaubte nicht, dass auch nur einer von ihnen ihm hätte
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