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Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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darüber, um den Geruch zu unterdrücken. Nachdem sie den Schuh wieder zurückgestellt hatte und hoffte, alles haargenau so hinterlassen zu haben, wie sie es in Erinnerung hatte, stand sie auf.
    Sally mahnte sich, langsam und umsichtig zu handeln, jeden Schritt vorauszuplanen, doch sie schaffte es nicht. Sie nahm den leeren Rucksack, sah sich noch einmal hektisch um, hoffte, dass man ihre Anwesenheit nicht bemerken würde, und machte auf dem Absatz kehrt.
    Wieder stolperte sie in der Dunkelheit.
    Sie versuchte, sich von der Angst nicht überwältigen zu lassen. Sie wollte nicht gegen etwas stoßen oder gar etwas umwerfenund Lärm verursachen. Es durfte keinerlei Anzeichen dafür geben, dass an diesem Tag zwei Mal jemand Fremdes in der Wohnung gewesen war. Das war jetzt, sagte sie sich, während sie wartete, bis ihr Herzschlag sich ein wenig normalisierte, von allergrößter Bedeutung.
    Ihren Abgang zu verzögern bereitete ihr Qualen.
    Als Sally die Tür erreichte, überkam sie eine gewaltige Panikattacke. Er ist da, dachte sie. Sie bildete sich ein, einen Schlüssel im Schloss zu hören. Sie glaubte, Stimmen, Schritte zu vernehmen.
    Sally zwang sich, die Streiche zu ignorieren, die ihr die Angst in diesem Moment spielte. Sie trat in den Flur. Sie sah nach rechts, nach links und stellte fest, dass sie allein war. Dennoch zuckte ihre Hand, und sie glaubte, dass aus jeder Richtung verdächtige Geräusche drangen. Sie riss sich mit aller Macht zusammen und mahnte sich, nicht die Nerven zu verlieren.
    Wie schon einmal an diesem Tag, schloss sie ab und lief zum Treppenhaus. Wieder durchquerte sie den Hausflur und trat ins Freie. Plötzlich durchflutete sie das Gefühl, es geschafft zu haben. Voller Erleichterung darüber, dass sie niemand bemerkt hatte, lief sie zu ihrem Wagen.
    Auf der Straße vor ihrem Fahrzeug entdeckte sie einen Gully. Sie ließ Mrs. Abramowicz’ Schlüssel in den Rost fallen und hörte, wie er unten in schlammiges Wasser fiel.
    Erst als sie im Auto saß, die Tür zugemacht hatte und den Kopf anlehnte, traten ihr die Tränen in die Augen. Eine Sekunde lang glaubte sie, alles würde gut, und sie sagte sich: Ihr kann nichts mehr passieren. Wir haben es getan, Ashley ist in Sicherheit.
    In diesem Moment kam ihr Hope in den Sinn, und sie erfasste eine neue Woge der Panik, die aus einem tiefen, verborgenen Winkel ihres Bewusstseins aufzusteigen schien und sie miteiner namenlosen Angst überschwemmte. Sally schnappte laut nach Luft und hielt den Atem an. Sie griff nach dem Handy und drückte Hopes Nummer.
     
    Bei Scott stellte sich Erleichterung ein, als er in seine Einfahrt schwenkte. Er stellte den Pick-up an seinen gewohnten Platz hinter dem Haus, wo er von der Straße aus oder von den Nachbarn schwer zu sehen war. Er nahm die Kleider, die er in dieser Nacht getragen hatte, stieg in den Porsche und fuhr erneut auf die Straße. Er ließ den Motor aufheulen, um dafür zu sorgen, dass jeder, der noch auf war und fernsah oder las, ihn keinesfalls überhören konnte.
    Im Stadtzentrum war eine Pizzeria, die von Studenten frequentiert wurde. Kurz vor Mitternacht würde die Anwesenheit eines Professors nicht unbemerkt bleiben. Daran war auch nichts allzu Ungewöhnliches – Lehrer, die Hefte zu korrigieren hatten, versuchten oft, einen letzten Energieschub zu nutzen. Es war ein geeigneter Ort, um sich blicken zu lassen.
    Er parkte direkt vor dem Haus, und der Sportwagen fiel einigen jungen Männern auf, die in der Nähe des Fensters an einer Theke saßen. Der Wagen verfehlte nie seine Wirkung.
    Er bestellte eine Hühnchen-und-Ananas-Pizza und bezahlte absichtlich mit seiner Kundenkarte.
    Falls er danach gefragt wurde, konnte er für die Stunden davor kein Alibi liefern. Zu Hause, Klausuren korrigiert, würde er sagen. Und, nein, ich gehe grundsätzlich nicht ans Telefon, wenn ich studentische Arbeiten durchsehe. Völlig ausgeschlossen wäre es allerdings, in der fraglichen Zeitspanne vom Haus des alten O’Connell bis nach Boston und dann zurück nach West-Massachusetts zu rasen. Jemanden töten und dann eine Pizza essen gehen?
Detective, das ist absurd
. Es war nicht gerade ein wasserdichtes Alibi, aber immerhin etwas. Es hingentscheidend davon ab, ob Sally mit der Waffe wie geplant verfahren war. So viel hing davon ab, dass die Waffe an ihrem ursprünglichen Platz gefunden wurde, dass Scott vor innerer Anspannung fast laut gehustet hätte.
    Er nahm seine Pizza zu einem freien Platz an der Theke mit und aß

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