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Das Opfer

Das Opfer

Titel: Das Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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den Eindruck, als würde er ihn gar nicht mehr abnehmen können. Und tatsächlich: Ein flüchtiger Versuch, den Ring abzustreifen, schlug fehl. Bobby zog nun mit aller Kraft an dem Brillanten, doch der Ring rührte sich keinen Millimeter, als wäre er festgewachsen.
    »Ich kann ihn nicht mehr abziehen«, klagte Douglas-Hume mit einem gezwungenen Lächeln und glaubte zu diesem Zeitpunkt noch an ein ärgerliches Missgeschick.
    »Der Ring wurde extra für Sie angefertigt, Robert, und Sie werden ihn nie wieder loswerden.«
    Bogdans Auftreten wirkte immer noch geschäftsmäßig, doch seine Stimme klang befremdlich schadenfroh. Dem Amerikaner schwante Übles.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Genau so, wie ich es gesagt habe«, erwiderte der rothaarige Anwalt mit einem diabolischen Grinsen, und seine plötzlich rot unterlaufenen Augen begannen buchstäblich zu leuchten. »Vergiss die Erbschaft, ich wollte dich nur dazu bringen, den Ring freiwillig anzuziehen. «
    Bobbys Gesichtszüge versteinerten. Der schwarze Brillant an seiner linken Hand schien auf einmal zu glühen, und in dieser Glut schmolzen all seine Träume dahin: das Landgut, die Yacht, die Millionen, das neue Leben … Von alledem blieb nichts übrig als ein nutzloser schwarzer Stein. Wut und Enttäuschung trieben Douglas-Hume die Tränen in die Augen.
    »Warum haben Sie das getan?!«
    »Selbstverständlich nicht zum Vergnügen.«
    »Ich gehe!«
    In diesem Augenblick gab der Boden unter Bobbys Füßen nach, und er hatte das Gefühl, in einen tiefen, engen Schacht zu stürzen. In seinen Ohren tönte ein dumpfes Glucksen wie unter Wasser, und er kniff unwillkürlich die Augen zusammen. Der Spuk dauerte nicht länger als eine Sekunde, und als er vorbei war, fand sich Bobby am Boden kniend wieder.
    »Ein Erdbeben! Wir müssen ins Freie flüchten!«, schrie er panisch.
    »Das wird kaum möglich sein, Robert«, erwiderte Bogdan ungerührt. »Wir befinden uns bereits im Freien.«
    Douglas-Hume stand auf, sah sich um und traute seinen Augen nicht. Concinis Ristorante war verschwunden. Die Tische, die Bar, die kernige Peggy, die Wall Street vor dem Fenster, alles – die vertraute Umgebung hatte sich auf mysteriöse Weise in Nichts aufgelöst und einer neuen, fremden Welt Platz gemacht. Es herrschte tiefe Nacht. Bobby befand sich inmitten eines mindestens zwanzig Fuß breiten, kreisrunden Plateaus, das oberhalb eines Flusses gelegen war. Auf der flussabgewandten Seite erhob sich ein jäh in den Himmel ragender, von Scheinwerfern angestrahlter Monumentalbau, der in einer filigranen Spitze auslief. Zu dem Gebäude führte eine breite Allee, die durch einen Park verlief. Doch am faszinierendsten war die Aussicht auf der anderen Seite, wo ein steiler Hang zum Fluss abfiel. Dort erstreckte sich zu Füßen des Amerikaners bis zum Horizont das Lichtermeer einer riesigen Stadt.
    Erst in luftiger Höhe erschließt sich die beeindruckende Schönheit einer nächtlichen Metropole: das gleißende Adernetz hell beleuchteter Ausfallstraßen, in gespenstisches Mondlicht getauchte Gebirge von Wolkenkratzern und dazwischen gestreut wie Tintenflecken die schwarzen Silhouetten von Gewässern und Parks. Nachts, wenn das Gros der Bürger friedlich schlummert, zeigt die Stadt den Wachenden ihre Seele.
    »Wo bin ich?«, fragte Bobby heiser.
    »In Moskau.« Bogdans Stimme klang wie von Ferne, und Douglas-Hume konnte ihn nicht sehen. »Wir befinden uns auf den Sperlingsbergen. Das große Gebäude ist die Universität und die Schüssel dort unten das Olympiastadion, der Fluss …«
    »Wie zum Teufel bin ich hierhergekommen?«, unterbrach Bobby den Anwalt.
    Verstört betrachtete der Amerikaner das Plateau, das von drei Fackeln schwach erleuchtet wurde. In den schwarzen Steinboden waren Runen eingraviert, die ein von innen nach außen führendes Spiralmuster bildeten.
    »Wie bin ich hierhergekommen?«, wiederholte er fassungslos.
    »Das Schicksal hat dich hergeführt.«
    Immer schmerzhafter schnürte der unheilvolle Ring Bobbys kleinen Finger ein, und der schwarze Brillant funkelte dämonisch.
    »Das kann nicht wahr sein! Das ist alles nur ein Traum!« Bobby versuchte, das Plateau zu verlassen, doch er konnte sich nicht von der Stelle rühren: Seine Füße waren im Zentrum des Runenkreises wie festbetoniert. »Ich will hier weg!«
    »Pech gehabt, Robert, du wurdest zur falschen Zeit und am falschen Ort geboren.«
    Bogdans Stimme war nun ganz nah. Bobby drehte sich um und zuckte vor Schreck zusammen: Der

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