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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Anwesenheit Porcias, die korpulente Tochter eines Freigelassenen und Eigentümerin zahlreicher Unternehmungen in ganz Campania. In Rom war es nicht üblich, dass Frauen ohne Begleitung zu einem abendlichen Gelage erschienen, doch in Campania war es gang und gäbe. Hier konnten Frauen Inhaberinnen von Geschäften sein und hatten die gleichen Eigentumsrechte wie Männer. Sie mussten nicht erst Witwe werden, um über ihre eigenen Besitztümer verfügen zu dürfen, und selbst verheiratete Frauen durften ihr Vermögen unabhängig von ihren Ehemännern verwalten. Es war alles äußerst unrömisch.
    Es waren noch weitere Gäste anwesend, deren Namen mir jedoch entfallen sind. Das Bankett wurde nach römischem Brauch veranstaltet, wobei die Campaner in jenen Tagen die römische Regel, nach der zu einem Essen nie mehr als neun Gäste eingeladen wurden, nicht allzu ernst nahmen. Sie fanden es eines wohlhabenden Mannes nicht würdig, so wenige Gäste zu bewirten.
    Kurz nach mir traf auch Julia ein, und wir wurden an unseren Tisch geleitet. Als ranghöchstem Magistrat wurde mir der Ehrenplatz zugewiesen: die rechte Seite der Kline direkt in der Mitte. Sklaven zogen uns die Sandalen aus und beträufelten unsere Füße mit Parfüm. Anschließend wurden Kränze verteilt, und wir waren bereit, zur Sache zu kommen. Doch bevor der erste Gang aufgetragen wurde, ergriff unser Gastgeber das Wort:
    „Liebe Freunde, ich finde, wir sollten an diesem Abend dem alten Brauch der hiesigen Gegend huldigen: Bevor wir beginnen, müssen wir einen Zeremonienmeister bestimmen, der den Ablauf des Banketts festlegt, das Mischverhältnis von Wein und Wasser bestimmt und während des Essens die Gesprächsleitung übernimmt. Ich ernenne hiermit unseren angesehensten Gast, den Praetor Decius Caecilius Metellus den Jüngeren zum Zeremonienmeister des heutigen Abends.“ Es gab Applaus und Beifallsrufe. Das war eine dieser campanischen Kuriositäten. Normalerweise wurde der Zeremonienmeister für das griechische Symposium bestimmt, das Gelage nach dem Abendessen, wenn die Frauen sich zurückzogen und die Männer sich hemmungslos dem Wein hingaben.
    „Ehrwürdiger Gastgeber, ehrwürdige Freunde, ich danke euch für die Ehre, muss aber gestehen, dass ich für ein solches Amt völlig ungeeignet bin. Bei der Wahl des Zeremonienmeisters sollte nicht die Amtswürde ausschlaggebend sein, sondern einzig und allein Geschmack, Eleganz und Witz. Daher schlage ich unseren allseits geschätzten Dramatiker Pedianus vor.“ Alle bestätigten mir, dass er eine exzellente Wahl sei. Ich selber hatte nämlich vor, am Ende des Banketts viel zu betrunken zu sein, um noch irgendetwas leiten zu können. Sollte doch der junge versuchen, einen klaren Kopf zu behalten, während der Wein, wie bei campanischen Gelagen üblich, in Strömen floss.
    Ein Sklave setzte dem jungen Mann einen Efeukranz auf, ein anderer drapierte einen purpurnen Umhang über seine Schultern. Ein Dritter drückte ihm einen mit Efeu umflochtenen Stab in die Hand. Er erhob sich und verkündete: „Ehrwürdiger Gastgeber, verehrter Praetor, geschätzte Gäste, ihr erweist mir große Ehre, und im Gegenzug werde ich mir größte Mühe geben, euch einen angenehmen Abend zu bereiten. Ich setze die folgenden Regeln fest: Erstens: Die Gäste dürfen in der Reihenfolge ihres Rangs und ihrer Bedeutung bedient werden, doch bei der Qualität der aufgetischten Leckereien werden keine Unterschiede gemacht.“ Diese Regel fand allgemeine Zustimmung. „Zweitens: Der Wein wird im Verhältnis von zwei zu eins mit Wasser gemischt.“ Unsere Blicke trafen sich. „Also gut, sagen wir drei zu eins.“ Für meinen Geschmack war das immer noch viel zu viel Wasser, aber eine noch stärkere Mischung hätte als skandalös gegolten. „Drittens: Ich verbiete Gespräche über ernsthafte Angelegenheiten. Ich will nichts über Caesar und Pompeius hören und auch kein Sterbenswörtchen über die Maßnahmen des Volkstribuns Curio.“
    „Und was ist mit dem Mord an Eugaeon?“, fragte jemand.
    Pedianus grinste. „Das ist nichts Ernsthaftes, sondern Klatsch. Und Klatsch ist unbedingt erlaubt.“ Unter heiterem Gelächter gestikulierte er übertrieben, und der erste Gang wurde aufgetragen, das übliche Gericht mit Eiern, die in den erstaunlichsten Farben gefärbt und mit aufwändigen Mustern verziert waren. Einige waren von einem Mantel aus unglaublich dünn geschlagenem Blattgold umhüllt. Sie waren dazu gedacht, gegessen zu werden, mitsamt

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