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Das Orakel des Todes

Das Orakel des Todes

Titel: Das Orakel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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nichts von alldem“, sagte Sabinilla.
    „Nein?“, hakte ich nach und überlegte, ob sie die gleichen Zweifel hegte wie ich. „Woher deine Skepsis?“
    „Die Ureinwohner waren Wilde, wie die Gallier oder die Germanen. Und nach meiner Kenntnis gibt es weder in Campania noch sonst irgendwo in Italia auch nur ein Einziges dieser Monumente aus gigantischen Steinen. Wer immer diesen Tunnel in den Fels geschlagen hat, verfügte über handwerkliche Fähigkeiten und gutes Werkzeug. Ich glaube daher nicht, dass er aus einer Zeit vor der Besiedelung durch die ersten Griechen stammt. Sie hatten das Wissen und die notwendigen Werkzeuge. Sie verstanden etwas von Vermessung und kannten sich mit Bergbau aus. Unvorstellbar, dass ein Haufen Primitiver diesen Tunnel schnurgerade auf einen unterirdischen Fluss zu getrieben haben soll.“
    „Mir ist vollkommen egal, was du behauptest“, widersprach Porcia. „Nicht einmal ein Mathematiker aus Alexandria hätte den Fluss so weit da unten ausfindig machen können. Es war Magie.“ Dann fuhr sie mit leiserer Stimme fort. „Aber es gibt noch merkwürdigere Geschichten über diesen Ort.“
    „Welche denn?“, wollte Julia wissen.
    „Alten Überlieferungen zufolge wurde der Tunnel nicht von der Erdoberfläche nach unten getrieben, sondern andersherum, von unten nach oben.“ Einige am Tisch schnappten nach Luft, es erhob sich ungläubiges Gemurmel. Andere machten die üblichen Gesten zur Abwendung von Unheil. Sobald die Unterwelt zur Sprache kommt, fühlen sich die Leute unbehaglich.
    „Na ja“, warf ich ein, „die Erdoberfläche vom Fluss aus zu finden, ist relativ einfach, wenn man es mit dem Weg anders herum vergleicht.“
    „Und was ist mit der exakten Ausrichtung auf die Sonnenwende?“, fragte Julia.
    „Die Dämonen der Unterwelt dürften wohl gewusst haben, wie so etwas zu bewerkstelligen ist, oder?“, entgegnete Porcia. Dem hatte ich nichts entgegenzusetzen.
    „Was sagst du dazu, Gitiadas?“, fragte Julia.
    „Wir können nur spekulieren“, erwiderte der Philosoph. „Wir haben einige bemerkenswerte Fakten: einen Tunnel, der präzise auf ein Himmelsereignis ausgerichtet in den Fels getrieben wurde, einen unterirdischen Fluss unbekannten Ursprungs und unbekannten Verlaufs und schließlich das Auftauchen einer Leiche in besagtem Fluss. Auf der Basis dieser Fakten können wir verschiedene Theorien spinnen - natürliche und übernatürliche. Doch unsere Spekulationen sind von geringem Wert, denn wir verfügen nicht über ausreichend Fakten, um fundierte Schlüsse zu ziehen.“
    „Für einen Philosophen machen deine Worte ungewöhnlich viel Sinn“, lobte ich ihn, während Julia die Augen verdrehte, wie sie es häufig tut, wenn ich mit Gelehrten spreche. „Wir benötigen weitere grundlegende Fakten. Wir müssen herausfinden, woher der Fluss kommt. Und wir müssen herausfinden, wer es auf den Priester und vielleicht sogar auf alle Priester abgesehen hatte.“
    „Und wir müssen all jene Dinge außer Acht lassen, die zwar Fakten sind, aber im Hinblick auf den vorliegenden Fall nichts zur Sache tun. Zu viele Fakten können klarem Denken genauso abträglich sein wie zu wenige.“
    „Sehr richtig!“, pflichtete ich ihm bei. „Mir persönlich ist zum Beispiel völlig egal, wohin dieser Tunnel ausgerichtet ist, und sei es auf den Mondaufgang am Jahrestag der Schlacht von Cannae. Genauso wenig tut es zur Sache, wer den Tunnel gegraben hat, die Ureinwohner, die Griechen oder der Großvater unseres Gastgebers. Die Umstände des Mordes sind in der heutigen Zeit und in der näheren Umgebung zu finden, und darauf müssen wir uns konzentrieren nicht auf irgendwelche Geschichten aus alten Zeiten.“
    „Sehr scharfsinnig“, lobte mich Gitiadas. „Allerdings sind bei diesem Mord noch ein paar weitere Aspekte zu bedenken.“
    „Zum Beispiel?“, hakte ich nach.
    „Na ja, es muss doch ein Motiv für den Mord geben.“
    „Hmm. Das Dumme ist nur, dass die Vielzahl möglicher Motive uns nicht wirklich weiterbringt. Menschen werden aus den unterschiedlichsten Gründen ermordet. Ein klassisches Motiv ist zum Beispiel die Beschleunigung eines Erbfalls, als nächstes Motiv gibt es Rache. Eine bloße Beleidigung kann schon nach Revanche verlangen oder nach einem Mord zur Rettung der Ehre, wie es bei Blutrache üblich ist. Ich habe auch schon unzählige Morde aus Eifersucht erlebt, und noch mehr waren in politischer Rivalität begründet. Besonders verbreitet sind Morde auch bei

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