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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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Konsul sog an seiner Zigarette und musterte Mr. Tagomi scharf.
    »Gestatten Sie mir, Sie zu informieren«, sagte Mr. Tagomi, »daß Ihre Nation im Begriffe ist, etwas Schrecklicheres denn je zu tun. Sie kennen das Hexagramm ›der Abgrund‹? Als Privatmann gesprochen, nicht als Vertreter der japanischen Behörden, erkläre ich: Mein Herz ist von Schrecken erfüllt. Ein Blutbad von unvergleichlichem Ausmaß zieht herauf. Und selbst jetzt suchen Sie nach egoistischem Nutzen. Sie wollen dem SD eins auswischen? Und während Sie Kreuz vom Meere ins Feuer werfen…«, er konnte nicht weiter. Eine unerträgliche Last drückte auf seine Brust. Wie in meiner Kindheit, dachte er. Asthma. »Ich leide«, sagte er zu Reiss, der jetzt seine Zigarette ausgedrückt hatte. »An einer Krankheit, die in diesen langen Jahren gewachsen ist und die an dem Tage eine virulente Form annahm, als ich hilflos von den Eskapaden Ihrer Führer hörte. Es gibt keine Heilung. Für Sie auch nicht, Sir. Und so kann ich nur sagen: Bereuet!«
    Der deutsche Konsul nickte.
    »Sie sagen es.« Mit zitternder Hand zündete er sich eine neue Zigarette an.
    Ramsey erschien aus seinem Büro. Er trug ein Bündel Papiere. Und zu Tagomi, der stumm Atem zu holen versuchte, sagte er: »Eine Routineangelegenheit, weil er schon hier ist. Sie hat mit seiner Funktion zu tun.« Mr. Tagomi griff nachdenklich nach dem Papier. Er warf einen Blick darauf. Formblatt 20-50. Die Aufforderung des Reiches durch ihren Vertreter in den PSA, Konsul Freiherr Hugo Reiss, zur Auslieferung eines Verbrechers, der sich im Gewahrsam der Polizei von San Francisco befand. Ein Jude namens Frank Fink, ein Bürger – nach dem Reichsgesetz –Deutschlands, rückwirkend vom Juni 1960. Schutzhaft nach dem Reichsgesetz und so weiter. Er überflog das Blatt.
    »Die Feder, Sir«, sagte Mr. Ramsey. Er musterte den Konsul angeekelt und hielt Mr. Tagomi die Feder hin.
    »Nein«, sagte Mr. Tagomi. Er gab das Formblatt Mr. Ramsey zurück. Dann nahm er es ihm wieder weg und kritzelte darunter: In Freiheit setzen . Handelsmission . Siehe Militärprotokoll 1947 . Tagomi . Er reichte dem Deutschen Konsul einen Durchschlag, die restlichen Papiere und das Original Mr. Ramsey. »Guten Tag, Herr Reiss.«
    Er verbeugte sich.
    Der deutsche Konsul verbeugte sich ebenfalls. Er blickte gar nicht auf das Papier.
    »Bitte erledigen Sie die weiteren Geschäfte per Post, Telefon oder Telegramm«, sagte Mr. Tagomi. »Und nicht persönlich.«
    Der Konsul sagte: »Sie machen mich persönlich für Umstände, auf die ich keinen Einfluß habe, verantwortlich.«
    »Scheiße«, sagte Mr. Tagomi. »Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
    »Das ist nicht die richtige Art, um zwischen zivilisierten Menschen Geschäfte abzuwickeln«, sagte der Konsul. »Sie bringen zu viel Bitterkeit hinein. Und das sollte alles eine reine Formalität ohne persönliche Gefühle sein.«
    Er warf seine Zigarette auf den Boden, drehte sich um und ging weg.
    »Nehmen Sie Ihre dreckige, stinkende Zigarette mit«, sagte Mr. Tagomi mit schwacher Stimme, aber der Konsul war bereits um die Ecke verschwunden. »Dieses kindische Verhalten«, sagte Mr. Tagomi zu Mr. Ramsey. »Sie haben sein kindisches Verhalten miterlebt.« Er schwankte in sein Büro zurück. Kein Atem. Ein Schmerz schoß durch seinen linken Arm, und gleichzeitig preßte eine mächtige Hand auf seine Rippen. Vor sich sah er einen Regen aufsteigender roter Funken.
    »Hilfe, Mr. Ramsey«, sagte er. Aber kein Laut kam heraus. »Bitte.« Er streckte die Hand aus. Stolperte. Nichts, um sich daran festzuhalten.
    Und als er fiel, umklammerte er das silberne Dreieck, das Mr. Childan ihm aufgedrängt hatte. Es hat mich auch nicht gerettet, dachte er. Überhaupt nicht geholfen. All die Mühe.
    Sein Körper krachte zu Boden. Hände und Knie. Stöhnen. Der Teppich an seiner Nase. Mr. Ramsey. Ruhe bewahren, dachte Mr. Tagomi.
    »Ich habe einen Herzanfall«, stieß Mr. Tagomi schließlich hervor.
    Einige Personen schleppten ihn jetzt zur Couch. »Seien Sie ruhig, Sir«, sagte jemand.
    »Frau verständigen, bitte«, sagte Mr. Tagomi.
    Und dann hörte er die Ambulanz. Das Heulen der Sirene. Leute, die kamen und gingen. Eine Decke wurde über ihn gelegt. Bis zu den Achselhöhlen. Die Krawatte abgenommen, der Kragen gelockert.
    »Jetzt besser«, sagte Mr. Tagomi. Er lag bequem, versuchte, sich nicht zu bewegen. Die Karriere jetzt vorbei, entschied er. Der deutsche Konsul wird sich irgendwo oben beschweren, über

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