Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
Vom Netzwerk:
rassischen Ausbrüche nicht.
    Er ging durch den Park. Nur weiter, sagte er sich. Die Bewegung reinigt. Jetzt hatte er das Ende des Parks erreicht. Den Bürgersteig, die Kearneystreet. Dichter, lärmender Verkehr. Mr. Tagomi blieb am Straßenrand stehen. Keine Pedotaxis. Also benutzte er den Bürgersteig, schloß sich der Menschenmenge an. Man findet nie eines, wenn man es braucht.
    Gott, was ist das? Er blieb stehen, starrte ein häßliches, mißgestaltetes Ding am Horizont an. Wie der Alptraum einer Achterbahn versperrte es ihm die Sicht. Ein enormes Gebilde aus Metall und Zement, hoch in den Lüften.
    Mr. Tagomi blieb stehen, sprach einen Fußgänger, einen dünnen Mann in einem zerknitterten Anzug an. »Was ist das?« fragte er und deutete.
    Der Mann grinste. »Schrecklich, nicht wahr? Das ist der Embarcadero Freeway. Eine Menge Leute finden, daß er scheußlich aussieht.«
    »Ich hab das noch nie gesehen«, sagte Mr. Tagomi.
    »Da haben Sie Glück gehabt«, meinte der Mann und ging weiter.
    Der Alptraum eines Wahnsinnigen, dachte Mr. Tagomi. Ich muß aufwachen. Wo heute nur die Pedotaxis bleiben? Er begann schneller auszuschreiten. Wohin er auch blickte, stumpfgraue, rauchgeschwärzte Gebäude, eine Welt von Grabsteinen. Der Geruch von Rauch lag in der Luft. Düstere graue Gebäude, ein düsterer grauer Bürgersteig und ein eigenartig hastiges Tempo, das ihm an allen Leuten auffiel. Und immer noch keine Pedotaxis.
    »Taxi!« rief er und eilte weiter.
    Hoffnungslos. Nur Autos und Busse. Autos wie brutale bösartige Wesen, fremdartig wirkend. Er versuchte sie nicht wahrzunehmen; blickte gerade vor sich hin. Eine Verzerrung meines Gesichtssinns. Eine Störung in meinem Orientierungsvermögen. Ein verzerrter Horizont. Wie der Astigmatismus des Todes, der plötzlich und ohne Warnung zuschlug.
    Ich muß mich aus diesen Gedanken reißen. Vorne ein schmieriger Schnellimbiß. Drinnen nur Weiße, alle essend. Mr. Tagomi schob die hölzernen Pendeltüren auf. Der Geruch von Kaffee. Ein grotesker Musikautomat in der Ecke, der seinen Lärm hinausplärrte; er zuckte unwillkürlich zusammen und arbeitete sich zur Theke durch. Alle Hocker von Weißen besetzt. Mr. Tagomi stieß unwillkürlich einen Ruf aus. Ein paar Weiße blickten auf. Aber keiner machte seinen Platz frei . Keiner bot ihm seinen Hocker an . Sie aßen einfach weiter .
    »Ich bestehe darauf«, sagte Mr. Tagomi laut zu dem ersten Weißen. Er schrie es dem Mann förmlich ins Ohr.
    Der Mann stellte seine Kaffeetasse weg und sagte: »Nur ruhig Blut, Tojo.«
    Mr. Tagomi sah die anderen Weißen an; alle musterten ihn feindselig. Und keiner rührte sich von der Stelle.
    Eine Bardo Thödol Existenz, dachte Mr. Tagomi. Ein heißer Wind, der mich Gott weiß wohin geblasen hat. Ist das hier eine Vision – ja von was eigentlich? Kann der Geist das ertragen? Ja, das Buch der Toten bereitet uns darauf vor: dem Tode scheinen wir andere zu sehen, aber alle scheinen uns feindlich. Man steht isoliert da. Niemand unterstützt einen, gleichgültig wohin man sich auch wendet. Die schreckliche Reise – und immer die Bereiche des Leidens, der Wiedergeburt, die nur darauf warten, den fliehenden demoralisierten Geist aufzunehmen. Die Illusion.
    Er rannte zur Tür zurück, ließ sie hinter sich zuschlagen; und dann stand er wieder auf dem Bürgersteig.
    Wo bin ich? Aus meiner Welt herausgerissen, meinem Raum, meiner Zeit?
    Das silberne Dreieck hat mir die Orientierung geraubt. Ich habe den Boden unter den Füßen verloren, stehe auf nichts. Das habe ich jetzt für meine Mühe. Das wird mir ewig eine Lektion sein. Man versucht, seine eigenen Beobachtungen zu umgehen – warum? Damit man völlig verloren, ohne irgendwelche Landkarten und ohne einen Führer dahinwandern kann? Dieser hypnotische Zustand, der Gesichtssinn eingeschränkt, so daß rings um einen Zwielicht herrscht; so daß man die Welt nur in ihren symbolischen, archetypischen Aspekten sieht, und völlig konfus, verwirrt, Eindrücke, die sich mit Bildern aus dem Unterbewußtsein mischen. Typisch für hypnotisch erzeugtes Schlafwandeln. Ich muß mich jetzt aus diesem Gleiten zwischen den Schatten herausreißen; mich konzentrieren, das Zentrum meines Ego wiederherstellen.
    Er griff in die Tasche, suchte das silberne Dreieck. Verschwunden. Ich habe das Ding im Park gelassen. Bei meiner Aktentasche. Katastrophe.
    Geduckt rannte er den Bürgersteig zurück. Zum Park.
    Dösende Penner sahen ihn überrascht an, als er durch den Park

Weitere Kostenlose Bücher