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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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ausmachen zu warten; die rechnen ja damit.
    »Ihr Teilnehmer meldet sich nicht«, erklärte ihr die Vermittlung aus Cheyenne schließlich. »Wir versuchen es später noch einmal und…«
    »Nein«, sagte Juliana und schüttelte den Kopf. Es war ohnehin nur eine flüchtige Idee gewesen. »Dann bin ich nicht mehr hier. Vielen Dank.« Sie legte auf – der Motelbesitzer hatte den Raum nicht verlassen, um sicherzustellen, daß das Gespräch nicht irrtümlich ihm belastet würde – und verließ dann das Büro schnell und trat ins Freie hinaus, wo es kühl war, um dort zu warten.
    Soeben löste sich ein glitzerndes, neues Taxi aus dem Verkehr und rollte auf sie zu. Es hielt an, die Tür öffnete sich, und der Fahrer sprang heraus und lief um den Wagen.
    Im nächsten Augenblick saß Juliana im Fond und ließ sich quer durch Cheyenne zu den Abendsens fahren.
    Das Haus der Abendsens war hell erleuchtet, und sie konnte Musik und Stimmen hören. Es war ein einstöckiges Stuckgebäude mit vielen Sträuchern und einem großzügig angelegten Garten mit einer Menge Kletterrosen. Als sie den Steinweg hinaufging, dachte sie, bin ich wirklich hier? Ist das die Trutzburg? Was war mit all den Gerüchten und Märchen? Das Haus war ganz normal, gepflegt und großzügig. In der Einfahrt stand sogar ein Kinderdreirad.
    War das vielleicht der falsche Abendsen? Sie hatte die Adresse aus dem Telefonbuch von Cheyenne, und sie entsprach der Nummer, die sie am Vorabend aus Greeley angerufen hatte.
    Sie trat auf die Veranda mit den schmiedeeisernen Gittern und drückte den Klingelknopf. Durch die halboffene Tür konnte sie das Wohnzimmer erkennen. Eine Anzahl Leute standen herum, ein Klavier, ein offener Kamin, Bücherschränke… nett eingerichtet, dachte sie. Eine Party? Aber keiner trug Abendkleidung. Ein Junge mit wirrem Haar, um die dreizehn, mit Bluejeans und einem T-Shirt riß die Tür weit vor ihr auf. »Ja?«
    »Ist Mr. Abendsen zu Hause?« fragte sie. »Ist er beschäftigt?«
    Eine Frau tauchte hinter dem Jungen auf. Sie hatte rotbraunes Haar, war vielleicht fünfunddreißig und hatte starke, klare graue Augen und ein so sicheres Lächeln, daß Juliana sofort wußte, daß ihr Caroline Abendsen gegenüberstand.
    »Ich habe gestern abend angerufen«, sagte Juliana.
    »O ja, natürlich.« Ihr Lächeln wurde noch wärmer. Sie hatte perfekte weiße, regelmäßige Zähne. »Lassen Sie sich doch den Mantel abnehmen. Sie kommen gerade richtig; wir haben ein paar Freunde im Haus. Oh… das ist aber schön… Cherubini oder?«
    Sie führte Juliana durchs Wohnzimmer in ein Schlafzimmer, wo sie Julianas Sachen zu anderer Garderobe aufs Bett legte. »Mein Mann ist irgendwo. Sehen Sie sich nach einem großen Mann mit Brille um. Er trinkt bestimmt einen Manhattan.« Die Intelligenz, die aus ihren Augen leuchtete, fiel Juliana auf; ihre Lippen zitterten – zwischen uns ist so viel Verstehen, erkannte Juliana. Ist das nicht erstaunlich?
    »Ich bin weit gefahren«, sagte Juliana.
    »Ja, das kann ich mir denken. Jetzt sehe ich ihn.« Caroline Abendsen führte sie ins Wohnzimmer auf eine Gruppe von Männern zu. »Liebster«, rief sie, »komm herüber. Hier ist eine deiner Leserinnen. Sie ist ganz erpicht darauf, mit dir zu sprechen.«
    Ein Mann löste sich aus der Gruppe und kam mit seinem Glas in der Hand auf sie zu. Juliana sah einen ungewöhnlich großen Mann mit schwarzem lockigem Haar. Seine Haut war dunkel, und seine Augen schienen purpurn oder braun hinter seiner Brille. Er trug einen maßgeschneiderten teuren Naturfaseranzug. Wahrscheinlich englische Wolle; sie hatte ihr ganzes Leben keinen solchen Anzug gesehen und ertappte sich dabei, wie sie ihn fasziniert anstarrte.
    »Mrs. Frink ist von Canyon City, Colorado, bis hierhergefahren«, sagte Caroline. »Und bloß, um mit dir über Die Heuschrecke zu sprechen.«
    »Ich dachte, Sie wohnen in einer Festung«, sagte Juliana.
    Hawthorne Abendsen beugte sich vor und lächelte nachdenklich. »Ja, das haben wir einmal getan, aber wir mußten immer den Lift nehmen, um überhaupt hineinzukommen, und da habe ich eine Phobie entwickelt. Ich war damals ziemlich betrunken, soweit ich mich erinnere, und alle sagen, ich hätte mich geweigert, in dem Lift zu stehen, weil ich sagte, das Liftkabel würde von Jesus Christus in die Höhe gekurbelt und wir würden den ganzen Weg hochgezogen. Und ich war fest entschlossen, nicht aufrecht zu stehen.«
    Sie begriff nicht.
    Caroline erklärte: »Hawth sagt, solange ich

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