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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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Menschen.
    Das Schreckliche war nur, daß das heutige deutsche Reich ein Produkt dieses Hirns war. Zuerst eine politische Partei, dann eine Nation und dann die halbe Welt. Und die Nazis selbst hatten die Diagnose gestellt: Dieser Quacksalber, dieser Kräuterdoktor, den Hitler gehabt hatte, dieser Doktor Morell, der Hitler mit einer Patentmedizin behandelt hatte, ursprünglich war er Spezialist für Unterleibskrankheiten gewesen. Die ganze Welt wußte es, und doch war alles das, was der Führer plapperte, immer noch geheiligt, die Heilige Schrift. Und diese Ansichten hatten jetzt eine ganze Zivilisation verseucht und zogen wie böse Sporen von der Erde hinaus zu den fernen Planeten, breiteten die böse Krankheit immer weiter aus.
    Das ist der Lohn für Inzest: Wahnsinn, Blindheit und Tod.
    Brrr. Sie schüttelte sich.
    »Charley?« rief sie den Koch. »Ist mein Essen bald fertig?« Sie kam sich völlig alleine vor. Schließlich stand sie auf, ging zur Theke hinüber und setzte sich neben die Registrierkasse.
    Niemand bemerkte sie, nur der junge italienische Fernfahrer. Seine dunklen Augen blickten sie starr an. Joe hieß er. Joe, und was noch? fragte sie sich.
    Jetzt, da sie näher bei ihm saß, erkannte sie, daß er gar nicht so jung war, wie sie angenommen hatte. Schwer zu sagen; er wirkte so intensiv und fuhr sich dauernd mit der Hand durchs Haar, kämmte es mit gebogenen starren Fingern. An diesem Mann ist irgend etwas Besonderes, dachte sie. Er atmet – den Tod. Irgendwie störte es sie und zog sie dennoch an. Jetzt neigte der ältere Fernfahrer den Kopf und flüsterte ihm etwas zu. Dann musterten sie sie beide. Diesmal mit einem Blick, der mehr war als das gewöhnliche männliche Interesse.
    »Miss«, sagte der Ältere. Beide Männer wirkten jetzt angespannt. »Wissen Sie, was das ist?« Er zeigte ihr eine flache weiße Schachtel, nicht besonders groß.
    »Ja«, sagte Juliana. »Nylonstrümpfe, Kunstfaser. Hergestellt von dem großen Kartell in New York, IG-Farben. Sehr rar und teuer.«
    »Das muß man den Deutschen lassen; ein Monopol ist keine schlechte Idee.« Der ältere Fernfahrer gab die Schachtel seinem Begleiter, der sie mit dem Ellbogen über die Theke zu ihr hinüberschob.
    »Haben Sie einen Wagen?« fragte der junge Italiener.
    Charley kam mit ihrem Teller aus der Küche.
    »Sie könnten mich dort hinbringen.« Die wilden, starken Augen studierten sie immer noch, und sie wurde immer nervöser, spürte aber gleichzeitig den Bann, der von diesem Blick ausging. »Dieses Motel, wo ich heute Nacht bleiben soll. So ist es doch, oder?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich hab einen Wagen. Einen alten Studebaker.«
    Der Koch sah zuerst sie und dann den jungen Fernfahrer an und stellte den Teller vor ihr hin auf die Theke.
    Die Lautsprecherstimme sagte: »Achtung, meine Damen und Herren.«
    Mr. Baynes zuckte zusammen und schlug die Augen auf. Durch das Fenster zu seiner Rechten konnte er weit unter sich das Braun und Grün von Land sehen. Und dann Blau. Der Pazifik. Die Rakete hatte den Landeanflug begonnen.
    Zuerst auf deutsch, dann auf japanisch und schließlich auf englisch erklärte der Lautsprecher, daß man nicht rauchen und die Sitzgurte anlegen solle. Die Landung, so hieß es, würde acht Minuten dauern.
    Und dann setzten plötzlich die Retroraketen ein, so plötzlich und so laut, daß eine Anzahl von Passagieren zusammenzuckte. Mr. Baynes lächelte, und auf dem Außensitz, auf der anderen Seite des Mittelgangs, lächelte ein junger Mann mit kurzgeschorenem blonden Haar ebenfalls.
    »Sie fürchten, daß…«, begann der junge Mann, aber Baynes sagte gleich in englischer Sprache: »Tut mir leid, ich spreche nicht deutsch.«
    Der junge Deutsche starrte ihn fragend an, worauf Baynes in gebrochenem Deutsch seine Erklärung wiederholte.
    »Nicht deutsch?« fragte der junge Deutsche in ebenso gebrochenem Englisch.
    »Ich bin Schwede«, sagte Baynes.
    »Sie sind doch in Tempelhof an Bord gegangen.«
    »Ja, ich war geschäftlich in Deutschland. Ich reise geschäftlich in viele Länder.«
    Der junge Deutsche konnte sich einfach nicht vorstellen, daß jemand in dieser modernen Welt, jemand, der internationale Geschäftsverbindungen hatte und der in der modernsten Lufthansarakete reiste – sich leisten konnte zu reisen –, nicht deutsch sprechen konnte oder wollte.
    »In welcher Branche sind Sie denn tätig, mein Herr?« fragte er Baynes.
    »Plastik, Polyester, Kunstharze, Ersatz – Industrieanwendung. Verstehen Sie?

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