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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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sich und trat in der Dunkelheit näher an Juliana heran.
    »Alles«, sagte Juliana.
    »O Gott. Da würde ich mich wehren.«
    Juliana entschuldigte sich und ging in die leere Duschkabine. Jemand anderer kam mit einem Handtuch über den Arm darauf zu.
    Nachher saß sie in einer Nische in Charley’s Hamburger Shop und überflog gleichgültig die Speisekarte. Die Musikbox spielte, Hillbillymusik, Stahlgitarre und hingebungsvoll gestöhnte Worte… und das ganze Lokal stank nach heißem Fett. Die LKW-Fahrer an der Theke, die Kellnerin, der große irische Koch in seiner weißen Jacke, der gerade die Registrierkasse bediente.
    Als Charley sie sah, kam er näher, um sie selbst zu bedienen. Grinsend fragte er: »Miss, wollen Sie jetzt Tee?«
    »Kaffee«, sagte Juliana und ertrug das, was der Koch für Humor hielt, mit Geduld.
    »Ah so«, sagte Charley und nickte.
    »Und ein Steaksandwich mit Soße.«
    »Keine Rattennestersuppe? Oder vielleicht Ziegenhirn in Olivenöl?« Ein paar von den LKW-Fahrern drehten sich auf ihren Hockern herum und grinsten. Juliana wußte, daß sie gut aussah, insbesondere seit sie aktiv Judo betrieb.
    Das hängt alles von den Schultermuskeln ab, dachte sie, als sie dem Blick begegnete. Bei Tänzerinnen ist das genauso. Das hat gar nichts mit Größe zu tun. Schickt eure Frauen in den Judokurs, dann bringen wir es ihnen bei.
    »Laßt die in Ruhe«, warnte der Koch die Fahrer und blinzelte ihnen zu. »Die legt jeden von euch auf den Rücken.«
    Und sie fragte den jüngeren Fahrer: »Wo kommen Sie denn her?«
    »Missouri«, sagten beide Männer.
    »Kommen Sie aus den Vereinigten Staaten?« fragte sie.
    »Ich schon«, sagte der Ältere. »Philadelphia. Hab drei Kinder dort. Das älteste ist elf.«
    »Hören Sie«, sagte Juliana. »Ist es – ist es leicht, dort einen guten Job zu bekommen?«
    Der jüngere Fahrer meinte: »Sicher, wenn Sie die richtige Hautfarbe haben.« Er hatte ein dunkles, brütendes Gesicht mit lockigem schwarzen Haar. Sein Ausdruck war jetzt bitter.
    »Das ist ein Itaker«, sagte der Ältere.
    »Nun«, meinte Juliana, »hat denn nicht Italien den Krieg gewonnen?« Sie lächelte dem jungen Mann zu, aber er erwiderte ihr Lächeln nicht, sondern seine finsteren Augen glühten noch dunkler, und dann wandte er sich ab.
    Tut mir leid, dachte sie. Aber sie sagte nichts. Ich kann auch nichts dafür, daß Sie etwas dunklere Haut haben. Dann dachte sie an Frank. Ob er wohl schon tot ist? Nein, dachte sie. Irgendwie mag er die Japs. Vielleicht identifiziert er sich mit ihnen, weil sie häßlich sind. Sie hatte Frank immer wieder gesagt, daß er häßlich sei.
    Große Poren. Große Nase.
    Ihre eigene Haut war zart. Ob er ohne mich gestorben ist? Fink hieß er ursprünglich. Und Finken sind Vögel. Und es heißt, daß Vögel sterben.
    »Fahren Sie heute zurück?« fragte sie den jungen Italiener.
    »Morgen.«
    »Wenn es Ihnen in den USA nicht gefällt, warum kommen Sie dann nicht rüber?« sagte sie. »Ich wohn jetzt schon ‘ne ganze Weile in den Rockies, und es ist nicht so schlimm hier. Ich hab vorher an der Küste gewohnt, in San Francisco. Die haben dort die gleiche Geschichte mit der Hautfarbe.«
    Der junge Italiener richtete sich kurz aus seiner vornübergeneigten Haltung auf und sah sie an. »Lady, ist schon schlimm genug, einen Tag oder eine Nacht in einer solchen Stadt zu verbringen. Hier leben? Herrgott – wenn ich einen anderen Job kriegen könnte und nicht auf der Straße wäre und in solchen Bumslokalen essen müßte…«, dann merkte er, daß der Koch zuhörte, und verstummte.
    »Joe, du bist ein Snob«, sagte der Ältere.
    »Sie könnten ja in Denver leben«, sagte Juliana. »Dort ist es hübscher.« Ich kenne euch Ostamerikaner, dachte sie. Bei euch muß immer alles großartig sein. Ihr träumt die ganze Zeit. Das hier ist Provinz für euch, die Rockies. Seit vor dem Krieg ist hier nichts mehr passiert. Alte Leute in Pension, Bauern, die Dummen, die Langsamen, die Armen… und all die klugen Jungs sind nach Osten, nach New York gezogen, sind legal oder illegal über die Grenze gegangen. Denn dort ist das Geld, dachte sie, die große Industrie. Die Expansion. Die deutschen Investitionen haben eine Menge erreicht… hat nicht lange gedauert, bis sie die USA wieder aufgebaut hatten.
    Und der Koch sagte mit heiserer, ärgerlicher Stimme: »Kumpel, ich mag die Juden nicht besonders, aber ich hab mir angesehen, wie die neunundvierzig aus den USA geflohen sind. Ich pfeif auf eure USA.

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