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Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
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zerbombte und schließlich die RAF fertigmachte. Hitler hätte sie London bombardieren lassen, genau wie sie es mit Rotterdam machten.
    Aber wahrscheinlich wird Goebbels es schaffen, entschied sie. Das glaubten alle. So lange es nur nicht dieser fürchterliche Heydrich wurde. Er würde uns alle umbringen. Er ist wirklich verrückt. Der einzige, den ich wirklich mag, ist Baidur von Schirach. Er wirkt schließlich noch normal. Aber er hat keine Chance.
    Als sie ihre Wohnungstür aufschloß, sah sie Joe Cinnadella immer noch dort liegen, wo sie ihn verlassen hatte, mitten im Bett, auf dem Bauch, die Arme herunterhängend. Er schlief immer noch. Nein, dachte sie, das ist unmöglich. Sein Lastzug ist doch schon weg. Hat er ihn verpaßt? Offensichtlich.
    Sie ging in die Küche und stellte ihre Einkaufstüten zwischen das Frühstücksgeschirr auf den Tisch.
    Hat er ihn absichtlich verpaßt? fragte sie sich. Das würde mich wirklich interessieren.
    Was für ein eigenartiger Mann… er war so aktiv mit ihr gewesen. Beinahe die ganze Nacht. Und doch war es, als wäre er in Wirklichkeit gar nicht da gewesen, als hätte er an etwas ganz anderes dabei gedacht.
    Ganz gewohnheitsmäßig stellte sie die Lebensmittel in den GE-Kühlschrank. Und dann begann sie, den Frühstückstisch abzudecken.
    Vielleicht hat er es so häufig getan, entschied sie. So, daß es ihm zur zweiten Natur geworden ist; sein Körper vollführt die Bewegungen so, wie der meine jetzt, wenn ich diese Teller und das Besteck in den Ausguß stelle. Er könnte das auch tun, wenn man ihm drei Fünftel seines Gehirns entfernt hätte, wie ein Froschbein im Biologieunterricht.
    »Hey«, rief sie dann. »Aufwachen.«
    Joe regte sich im Bett und gab einen unartikulierten Laut von sich.
    »Hast du die Bob Hope Show neulich abends gehört?« rief sie. »Er hat da einen wirklich komischen Witz erzählt, den, wo dieser deutsche Major einige Marsianer interviewt. Die Marsianer können keine Ariernachweise für ihre Großeltern beibringen, weißt du. Also meldet der deutsche Major nach Berlin, daß der Mars von Juden bewohnt ist.« Sie trat jetzt ins Wohnzimmer, wo Joe im Bett lag, und sagte: »Und sie sind etwa einen Fuß groß und haben zwei Köpfe… Du weißt schon, wie Bob Hope ist.«
    Joe drehte sich im Bett zur Seite und schlug die Augen auf. Dann starrte er sie an. Sein mit schwarzen Bartstoppeln übersätes Kinn, seine dunklen, schmerzerfüllten Augen…
    »Was ist denn?« fragte sie schließlich. »Hast du Angst?« Nein, dachte sie. Frank hat Angst. Der da – ich weiß nicht, was mit ihm los ist.
    »Die Kiste ist weggefahren«, sagte Joe und setzte sich auf.
    »Was willst du jetzt machen?« Sie setzte sich auf den Bettrand und wischte mit dem Geschirrtuch über Hände und Arme.
    »Ich erwisch ihn, wenn er zurückkommt. Der sagt keinem etwas; schließlich weiß er, daß ich es bei ihm genauso machen würde.«
    »Hast du das schon einmal gemacht?« fragte sie.
    Joe gab keine Antwort. Das war von vornherein seine Absicht, sagte Juliana zu sich selbst. Das weiß ich. Ganz sicher sogar.
    »Und wenn er einen anderen Weg zurückfährt?« fragte sie.
    »Der nimmt immer die Fünfzig. Nie die Vierzig. Er hatte mal auf der Vierzig einen Unfall; da sind ein paar Pferde auf die Straße gelaufen, und er hat sie überfahren. In den Rockies.« Er nahm seine Kleider vom Stuhl und fing an, sich anzuziehen.
    »Wie alt bist du, Joe?« fragte sie, während er an sich herunter sah.
    »Vierunddreißig.«
    Dann mußt du im Krieg gewesen sein, dachte sie. An seinem Arm sah sie eine Tätowierung, den Buchstaben K in Blau.
    »Was ist das?« fragte sie. »Deine Frau? Klaudia? Korinna?«
    Joe wusch sich das Gesicht und sagte »Kairo«.
    Was für ein exotischer Name, dachte sie voll Neid. Und dann merkte sie, wie sie rot wurde. »Ich bin wirklich dumm«, sagte sie. Ein Italiener, vierunddreißig Jahre alt, aus der Hälfte der Welt, die die Nazis kontrollierten… natürlich war er im Krieg gewesen. Aber auf der Seite der Achse. Und er hatte in Kairo gekämpft; die Tätowierung war das Band, das die deutschen und italienischen Veteranen dieses Feldzugs vereinte – der Sieg über die britische und australische Armee unter General Gott, der Triumph Rommels und seines Afrikakorps.
    Sie verließ das Badezimmer, ging ins Wohnzimmer zurück und begann das Bett zu machen. Auf dem Stuhl lagen Joes Besitztümer, seine Kleider und ein Kleiderkoffer, ein paar persönliche Effekten. Darunter auch ein

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