Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Orakel vom Berge

Das Orakel vom Berge

Titel: Das Orakel vom Berge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip K. Dick
Vom Netzwerk:
irgendein luxuriöses Hotel gehen. Jeder Mann sehnt sich danach, eine wirklich gut angezogene Frau zu haben, ehe er stirbt. Selbst wenn er ihr die Kleider selbst kaufen muß. Wahrscheinlich ist diese große Sauftour Joe Cinnadellas großer Traum. Und er ist schlau: Ich wette, daß er mich richtig eingeschätzt hat – ich muß eine neurotische Angst vor dem Männlichen haben. Frank hat das auch gewußt. Deshalb haben wir uns ja getrennt; deshalb fühle ich auch immer noch diese Angst, dieses Mißtrauen.
    Als sie vom Telefon zurückkam, fand sie Joe wieder mit seiner Heuschrecke . Er hatte beim Lesen die Stirn gefurcht und schien seine Umgebung überhaupt nicht zu bemerken.
    »Wolltest du das nicht mir zu lesen geben?« fragte sie.
    »Vielleicht während ich fahre«, sagte Joe, ohne aufzublicken.
    » Du wirst fahren? Es ist mein Wagen!«
    Er sagte nichts, sondern las weiter.
    Robert Childan blickte von seiner Registrierkasse auf und sah, wie ein hagerer, dunkler, hochgewachsener Mann den Laden betrat. Der Mann trug einen etwas altmodischen Anzug und hielt einen großen Korb in der Hand. Ein Vertreter. Aber er hatte nicht das eingeübte Lächeln des Vertreters, blickte eher mürrisch. Eher wie ein Installateur oder ein Elektriker, dachte Robert Childan.
    Als er mit seinem Kunden fertig war, rief Childan dem Mann zu: »Wen vertreten Sie denn?«
    »Edfrank Juwelierkunst«, brummte der Mann. Er hatte seinen Korb auf die Theke gestellt.
    »Nie gehört.« Childan schlenderte zu dem Mann hinüber und sah zu, wie er den Korb etwas ungeschickt öffnete. »Handgearbeitet. Jedes Stück ein Original. Messing, Kupfer, Silber. Und heißgeschmiedetes schwarzes Eisen.«
    Childan sah in den Korb. Metall auf schwarzem Samt, eigenartig. »Nein danke. Paßt nicht in meine Linie.«
    »Das ist amerikanische Handwerkskunst. Zeitgenössisch.«
    Childan schüttelte den Kopf. »Nein.« Er ging zur Registrierkasse zurück.
    Eine Weile stand der Mann da und beschäftigte sich mit seinen Vorlegebrettern. Er nahm sie weder heraus, noch stellte er sie zurück; schien nicht zu wissen, was er tat. Childan sah ihm mit übergeschlagenen Armen zu und dachte über die verschiedenen Probleme des Tages nach. Um zwei hatte er eine Verabredung, mußte ein paar Tassen zeigen. Und dann um drei – da kam wieder einiges aus dem Labor zurück. Er hatte in den letzten zwei Wochen eine Menge Ware im Institut untersuchen lassen. Seit dieser häßlichen Geschichte mit dem Colt . 44 .
    »Die sind nicht nur eloxiert«, sagte der Mann mit dem Korb und zeigte ihm ein Armband. »Massives Kupfer.«
    Childan nickte wortlos. Der Mann würde noch eine Weile hier stehen, mit seinen Mustern spielen und schließlich weitergehen.
    Das Telefon klingelte. Childan meldete sich. Ein Kunde erkundigte sich nach einem alten Schaukelstuhl, sehr wertvoll, den Childan für ihn reparieren ließ. Er war noch nicht fertig, und Childan mußte sich eine überzeugende Ausrede einfallen lassen. Er starrte durch das Schaufenster auf den Mittagsverkehr hinaus und besänftigte den Mann. Schließlich legte der Kunde auf.
    Ja, ohne Zweifel war es so, dachte er, als er den Hörer auf die Gabel legte. Die Colt . 44 Affäre hatte ihn ziemlich durcheinandergebracht. Er sah heute sein Inventar nicht mehr mit der gleichen Hochachtung. Wenn man so etwas weiß, kommt man nicht mehr so leicht davon los. Das ist wie das Erwachen aus Kinderträumen; die harten Tatsachen des Lebens. Das zeigt die Verbindung zu unseren frühen Jahren, sinnierte er, es geht hier nicht nur um die Amerikanische Geschichte, sondern auch um unser persönliches Erleben.
    Als wenn jemand Zweifel an der Authentizität unserer Geburtsurkunden vorbrächte, dachte er. Oder dem Eindruck, den wir von unserem Vater haben.
    Vielleicht erinnere ich mich gar nicht wirklich an F. D. R. nur beispielsweise. Vielleicht habe ich von ihm nur ein synthetisches Bild, das ich mir aus verschiedenen Reden zusammengesetzt habe. Wie ein Mythos, der in mein Gehirn eingepflanzt ist. Wie der Mythos von Hepplewhite, dachte er. Oder der Mythos von Chippendale. Noch eher wie die Behauptung, Abraham Lincoln hätte mit diesem oder jenem Messer, Gabel oder Löffel gegessen. Man kann es nicht sehen, aber die Tatsache bleibt erhalten.
    Der Vertreter stand immer noch an der anderen Theke und machte sich an seiner Ware zu schaffen. Jetzt meinte er: »Wir können auch Sonderanfertigungen für Sie herstellen. Handarbeit«, sagte der Verkäufer. »Falls Ihre Kunden

Weitere Kostenlose Bücher