Das Orakel vom Berge
Sonderwünsche haben sollten.« Seine Stimme klang halb erstickt; er räusperte sich, sah Childan an und blickte dann wieder auf ein Schmuckstück, das er in der Hand hielt. Er wußte offenbar nicht, wie er das Gespräch beenden sollte.
Childan lächelte und sagte nichts. Nicht meine Sache. Der Vertreter mußte selbst einen Weg aus dem Laden finden. Ob er jetzt sein Gesicht dabei bewahrte oder nicht.
Schlimm, wenn man so in der Zwickmühle saß. Aber er hätte ja nicht Vertreter zu werden brauchen. Wir machen alle unser Leiden durch. Schaut doch mich an. Muß mir den ganzen Tag von Japsen, wie diesem Mr. Tagomi, Beleidigungen gefallen lassen. Beleidigungen, die in der höflichsten Art vorgetragen werden und mein Leben zur Qual machen.
Und dann kam ihm eine Idee. Der Bursche hatte offenbar keine Erfahrung. Man brauchte ihn ja bloß anzusehen.
Vielleicht bekomme ich etwas auf Kommission. Versuchen kann ich es ja.
»He«, sagte Childan.
Der Mann blickte schnell auf, sah ihn an.
Childan, die Arme immer noch verschränkt, ging auf ihn zu.
»Scheint hier eine ruhige halbe Stunde zu werden. Ich will Ihnen ja nichts versprechen, aber Sie können ein paar von Ihren Sachen auslegen. Machen Sie diese Regale dort hinten frei.« Er deutete.
Der Mann nickte und schaffte sich Platz. Dann öffnete er seinen Korb und ging wieder zurück.
Er wird alles auslegen, das wußte Childan. Es die nächste Stunde über sorgfältig auslegen. Immer wieder etwas ändern, bis er fertig ist. Hoffen. Beten. Mich jede Sekunde aus dem Augenwinkel beobachten. Sehen, ob ich Interesse zeige.
»Wenn Sie es ausgelegt haben«, sagte Childan, »dann werde ich es mir ansehen, wenn ich dann Zeit habe.«
Der Mann arbeitete wie im Fieber.
Ein paar Kunden betraten den Laden, und Childan begrüßte sie. Er wandte seine Aufmerksamkeit ihnen und ihren Wünschen zu und vergaß den Verkäufer, der sich mit seiner Ware plagte.
Auch der Verkäufer erkannte die Situation und wurde in seinen Bewegungen verstohlen. Er versuchte, unsichtbar zu werden.
Childan verkaufte einen Rasiertopf, verkaufte beinahe einen handgenähten Teppich und nahm eine Anzahlung für einen Afghan entgegen. Die Zeit verstrich. Schließlich gingen die Kunden. Jetzt war der Laden wieder leer, mit Ausnahme von ihm und dem Verkäufer.
Der Mann war jetzt fertig. Seine ganze Kollektion war auf schwarzem Samt ausgebreitet.
Robert Childan zündete sich eine Zigarette an und baute sich wortlos vor der Ware auf. Auch der Verkäufer schwieg. Keiner sagte ein Wort.
Childan deutete schließlich auf eine Nadel. »Die gefällt mir.«
Und der Vertreter sagte schnell: »Die ist gut. Sie werden keine Kratzer finden. Alles fein poliert. Und wir haben alle Stücke mit Plastik überzogen, das Jahre hält.«
Childan nickte leicht.
»Wir haben uns hier darum bemüht, bewährte industrielle Techniken für die Herstellung von Modeschmuck einzusetzen. So weit mir bekannt ist, hat das niemand je zuvor versucht.« Er hielt inne. »Und die Rückteile sind hartgelötet.«
Childan nahm zwei Armbänder, dann eine Nadel. Und dann noch eine Nadel. Er sah sie einen Augenblick an und legte sie dann beiseite.
Das Gesicht des Vertreters zuckte. Hoffnung.
Childan musterte das Preisschild an einem Halsband. »Ist das…«
»Wiederverkauf. Ihr Preis beträgt fünfzig Prozent davon. Und wenn Sie für etwa hundert Dollar einkaufen, bekommen Sie zuzüglich noch zwei Prozent.«
Childan legte ein paar weitere Stücke zur Seite. Und bei jedem Stück wurde der Vertreter erregter, fing schließlich an, sinnlose Dinge zu sagen, sich zu wiederholen. Der bildet sich wirklich ein, daß er mir etwas verkauft. Das wußte Childan. Er selbst ließ sich nichts anmerken, sondern fuhr fort, Stücke auszuwählen.
»Das ist ein besonders schönes Stück«, erregte sich der Vertreter, als Childan einen großen Anhänger nahm. »Ich glaube, Sie haben unsere besten Stücke ausgewählt. Sie haben wirklich guten Geschmack.« Seine Augen flogen unruhig im Laden herum. Er versuchte in Gedanken zusammenzuzählen, was Childan ausgewählt hatte.
Und dann sagte Childan: »Bei Ware, die sich bisher noch nicht bewährt hat, müssen wir auf Kommission bestehen.«
Ein paar Augenblicke begriff der Vertreter nicht. Er verstummte und starrte Childan verständnislos an.
Childan lächelte.
»Kommission«, wiederholte der Vertreter schließlich.
»Würden Sie die Ware lieber wieder mitnehmen?« fragte Childan.
Der Mann stammelte und brachte
Weitere Kostenlose Bücher