Das Orakel von Margyle
und ein oder zwei Dorfbewohnern gefragt hatte, rückte sie nach und nach mit dem Dorfklatsch heraus. Ab und zu nippte sie an ihrem Tee, und fast hatte Maura das Gefühl, als würde sich die Zeit zurückdrehen. Ihr altes, ereignisloses Leben schien greifbar nahe.
Newlyn stand vom Tisch auf. “Ich denke, ihr zwei habt euch eine Menge zu erzählen, wobei ihr keinen Mann in der Nähe haben wollt, der alles mithört. Die Hofarbeit erledigt sich nicht von selbst.”
“Sag diesen Männern, dass es bald Essen gibt.” Sorsha sprang auf und rührte den Eintopf um. Nachdem Newlyn hinausgegangen war, setzte sie sich wieder und füllte die Teebecher neu. “Und jetzt erzähl mir, was immer du in Newlyns Gegenwart nicht sagen wolltest.”
“Woher weißt du das?”
“Weil ich dich schon so lange kenne, natürlich.” Sorsha zog die sommersprossige Nase kraus. “Also, heraus damit!”
Maura blies in ihren Tee. Auch wenn sie nicht vorgehabt hatte, die Sache so schnell auf den Tisch zu bringen, hätte sie wissen müssen, dass es hoffnungslos war, irgendetwas vor Sorsha verbergen zu wollen.
“Da ist noch etwas. Etwas, das ich herausfand, als ich in Venard nach Velorkens Stab suchte …” Sie zögerte. Sie befürchtete, die Wahrheit könnte ihrer Freundschaft schaden.
“Aye, sprich weiter.”
“Erinnerst du dich, wie du mir einmal erzähltest, meine Eltern wären wohl von Gesetzlosen ermordet worden?”
Sorsha blickte starr in die Tiefen ihres Bechers. “Meinst du, ich hätte dir besser die Wahrheit sagen sollen?”
“Du wusstest es?” Maura verschluckte sich beinahe an ihrem Tee.
“Nur das, was ich einmal Mama zu Papa sagen hörte. Warum sie glaubte, die Schande hätte deine Mutter getötet.” Sorsha langte über den Tisch und legte die Hand auf Mauras. “Du fühltest dich sowieso schon so sehr als Außenseiterin hier im Dorf, da wollte ich es nicht noch schlimmer machen. Also erfand ich diese Geschichte von den Gesetzlosen.”
Hatte Sorshas Mutter erraten, was Langbard niemals vermutet hatte? Es spielte keine Rolle. Eine warme Welle der Dankbarkeit für ihre freundlichen Nachbarn durchflutete Maura. Wenn ihre Freunde sie weiterhin akzeptierten, würden es andere vielleicht auch tun, sobald sie die Wahrheit erfuhren.
“Wir waren noch jung damals.” Sie umklammerte Sorshas Hand. “Doch nie hast du dein Verhalten mir gegenüber geändert, obwohl du wusstest, dass ich die Tochter eines Todesmagiers bin.”
“Eines Todes…?” Wenn Maura ihr den Becher voll heißem Tee ins Gesicht geschüttet hätte, hätte Sorsha nicht entsetzter dreinblicken können. “Oh Maura, nein! Das kann nicht sein!”
21. KAPITEL
S orsha sprang von ihrem Stuhl auf, lief um den Tisch herum und nahm Maura in die Arme. “Wie schrecklich, so etwas entdecken zu müssen! Du armer Schatz! Bist du sicher, dass es wahr ist?”
Maura brach in ein von Schluchzern unterbrochenes Lachen aus. “Ich wünschte, ich könnte daran zweifeln. Aber es ist die einzige Erklärung für all die Rätsel in meiner Vergangenheit. Wieso klingst du so erstaunt? Du sagtest doch, du wüsstest … dass meine Mutter wegen der Schande starb.”
“Der Schande, ein vaterloses Kind zur Welt zu bringen.” Sorsha schüttelte den Kopf. “Als ich erst einmal alt genug war, um zu verstehen, da dachte ich, dass das doch eigentlich keine so schreckliche Sache sei, um deswegen vor Gram zu vergehen. Jetzt ergibt es einen Sinn, auch wenn ich wünschte, dem wäre nicht so. Wie hast du es herausgefunden?”
Kaum hatte Maura ihre Geschichte erzählt, als eine vorwurfsvolle junge Stimme von der Tür her rief: “Mama, bekommen wir jemals unser Essen?”
“Aber natürlich, Liebling!” Schuldbewusst eilte Sorsha zum Herd. “Sag den netten Männern, sie sollen die Kleinen hereinbringen, und du sei ein guter Junge und geh Papa holen.”
Die Frauen widmeten sich rasch den vertrauten, tröstlichen kleinen Aufgaben der Essensvorbereitung. Keinem schien aufzufallen, wie ruhig und in sich gekehrt sie waren. Der kleine Bard ließ Snake und den Männern keine Ruhe. Er fragte sie nach den entferntesten Winkeln des Königreichs, die sie gesehen, und nach den Schlachten, die sie unter dem Kommando des Wartenden Königs geschlagen hatten.
Die Augen des kleinen Jungen glänzten vor Aufregung, so wie früher die Augen seiner Mutter, wenn sie Abenteuergeschichten lauschte. “Es ist, als würden die Erzählungen wahr, oder nicht, Mama?”
“Aye, mein Schatz.” Sorsha gab dem
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