Das Orakel von Margyle
wieder machst, hörst du?”
Die beiden Freundinnen lagen sich lachend und weinend in den Armen.
“Ich bin fast in Ohnmacht gefallen”, Sorsha wischte mit dem Schürzenzipfel über die braunen Augen, “als der junge Bard angerannt kam und sagte, er hätte Reiter auf dem Feldweg gesehen. Ich war mir sicher, es wären die zurückkehrenden Han … als hätten sie nicht schon genug mitgenommen, als sie gingen.”
“Es tut mir leid, dass wir dir so einen Schreck eingejagt haben.” Maura stellte ihr Anulf, Snake und die anderen vor. “Ich sehnte mich so danach, dich wiederzusehen, dass ich daran gar nicht gedacht habe.”
Aus der Scheune ertönte lautes Heulen. “Ist alles in Ordnung, Mama?” Sorshas ältester Junge lugte heraus. “Können wir jetzt rauskommen?”
“Du kannst, mein guter, kluger Junge.” Sorsha winkte ihn zu sich. “Bring die Kleinen her und geh dann Papa holen. Sag ihm, Tante Maura ist zu Besuch gekommen.”
“Jetzt schau sie dir nur an!” Maura knuddelte den dreijährigen Lael, während Sorsha Vela auf den Arm nahm und hin und her wiegte, um sie zu beruhigen. “Was sind sie gewachsen. War ich so lange fort?”
“Ein halbes Jahr”, sagte Sorsha. “In der Zeit können sich die Kleinen ganz schön verändern. Bis dahin waren nie mehr als ein oder zwei Tage vergangen, bevor du sie wiedergesehen hast. Stell dir vor, die Kleine hier kann schon laufen, und Lael redet wie ein Wasserfall, wenn er erst einmal seine Schüchternheit überwunden hat. Schatz, du erinnerst dich doch an Tante Maura, nicht wahr?”
Mit einem für seine jungen Jahre ernsten Gesichtsausdruck sah das Kind Maura an und zog die dichten, dunklen Augenbrauen, die denen seines Vaters so sehr ähnelten, zusammen, während es über die Frage seiner Mutter nachdachte. Endlich antwortete der Kleine mit einem stummen, doch entschiedenen Nicken. Wie viel länger hätte sie fortbleiben können, bis das Kind sie völlig vergessen hätte?
Maura stellte sich vor, wie sie und Rath in einem auf dem Fundament von Langbards Hütte gebauten Haus lebten. Wie sie wie früher fast jeden Tag Sorshas Kinder besuchen würde. Wie sie Heilmittel für die Dorfbewohner herstellte, während Rath Feldfrüchte anbaute und ein paar Tiere hielt.
Doch es hatte keinen Sinn, sich vorzumachen, sie würden zu einem solchen Leben zurückkehren, sollte der Aufstand fehlschlagen. Dann konnten sie nur froh sein, wenn sie durch eine Flucht auf die Inseln ihr nacktes Leben retteten. Und selbst wenn der Aufstand erfolgreich war, wartete auf sie auch kein friedliches Leben in Windleford. Rath wäre dann ein Gefangener seiner gesellschaftlichen Position, eingesperrt in diesem eleganten Palast, der für Maura so viele bedrückende Erinnerungen barg.
Und sie? Maura wagte nicht zu sagen, was die Zukunft für sie bereithielt, wenn ihr Geheimnis erst einmal bekannt wurde.
“Wie weit seid ihr heute Morgen geritten?”, fragte Sorsha. “Wie lang kannst du bleiben? Wieso kommt ihr nicht alle herein und esst etwas?”
Durch die praktischen Fragen ihrer Freundin aus ihren trüben Gedanken gerissen, musste Maura lachen. “Sorsha Swinley, du klingst wie deine Mutter – die wollte auch immer alle Leute verköstigen. Wir kommen nur von der anderen Seite des Flusses und haben alle schon gefrühstückt. Vor Einbruch der Nacht müssen wir wieder zurück sein.”
“So bald?”, rief Sorsha aus. “Dann müssen wir das Beste daraus machen, oder?”
“Aye, Mistress.” Anulf wandte sich der Frau zu. Er hatte Snake gezeigt, dass er das Baby zum Lachen bringen konnte, indem er sein Gesicht hinter den Händen verbarg und dann dahinter hervorlugte. “Tut einfach, wozu Ihr Lust habt. Kümmert Euch nicht um uns. Wir bleiben hier draußen und halten Wache. Wenn wir uns um die Kleinen kümmern sollen, während Ihr Euch unterhaltet, dann wäre uns das mehr Freude als Arbeit.”
Bevor er seine Meinung wieder ändern konnte, hatte Sorsha ihm schon das Baby in die Arme gedrückt. “Könnte ich Euch überreden, zu bleiben, wenn Maura wieder geht?”
Anulf schnitt Grimassen, die das Baby vor Vergnügen krähen ließen und selbst dem scheuen Lael ein Lächeln entlockten. “Wenn das, was ich da aus Eurer Küche rieche, nur halb so gut schmeckt, wie ich glaube, Mistress, werdet Ihr Mühe haben, mich wieder loszuwerden.”
“Heißt das, ich könnte Euch zu Honigkeksen und einem Becher Eisminzetee verführen?”
Die Männer versuchten, höflich abzulehnen, doch Snake rief: “Dann
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