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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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erneut hinter seinem Opfer her.
    Maura stürmte unter den Bäumen hervor und schrie auf Hanisch: “Schau hinter dich!”
    Vielleicht konnte der Reiter die Warnung nicht ignorieren, weil er sie in seiner Sprache vernahm. Jedenfalls riss er sein Pferd herum, um abzuwehren, was auch immer ihn bedrohte. Bis er bemerkte, dass es sich um eine List handelte und er sein Pferd wieder wendete, war der verletzte Rebell bereits taumelnd in der relativen Sicherheit des Waldes verschwunden.
    Der Han brüllte Verwünschungen und ritt dann davon. Sie schenkte ihm keine Beachtung, sondern half dem verwundeten Mann.
    “Blutet Ihr irgendwo?” Sie bettete ihn zwischen zwei große Wurzeln, die sich über den Waldboden schlängelten.
    Ihr Schultergurt war gefüllt mit Kerzenflachs und Spitzenkraut, die sie in ihrem Kräutergarten geerntet hatte. Wie weit weg erschien ihr dieser friedliche Ort jetzt!
    Der Mann schüttelte den Kopf. Zum Teil als Antwort auf ihre Frage, zum Teil aus Verwunderung. “Wenn Ihr nicht so gut gezielt hättet, Mistress, wäre sicher Blut vergossen worden. So sah ich noch nie ein Mädchen einen Stein schleudern. Ich glaube, ich habe mir ein oder zwei Knochen gebrochen.”
    Gebrochene Knochen brauchten Zeit und ärztliches Können, um zu heilen, aber wenigstens war der Mann nicht mehr in unmittelbarer Gefahr. Maura wühlte in ihrem Schultergurt und brachte ein Blatt Sommerknospe zum Vorschein. “Kaut das. Es wird Eure Schmerzen lindern. Und wenn Ihr zu Atem gekommen seid, sucht Zuflucht in der alten Burg … ich werde später nach Euren Verletzungen sehen.”
    Mit der gesunden Hand griff der Mann nach dem Blatt und steckte es nach kurzem Zögern in den Mund. “Danke für alles, Mistress. Oder sollte ich
Hoheit
sagen? Seid Ihr vielleicht unsere Königin?”
    Maura tätschelte sein Bein. “Könnte sein.”
    Schreie, die sie monatelang in ihren Albträumen verfolgt hatten, ließen sie aufstehen und zur Schlacht zurückeilen. Noch mehr Männern war es gelungen, die hanische Linie zu durchbrechen. Jetzt taumelten sie in den Schutz des Waldes. Maura wäre gerne geblieben und hätte sich um die Verwundeten gekümmert, aber es gab etwas, das sie zuerst tun musste, auch wenn sie davor zurückschreckte.
    Sie sah, wie eine eng zusammenstehende Gruppe von Todesmagiern gezielt Schmerz und Entsetzen über die Rebellen brachte. Einer von ihnen zog Mauras Blick besonders auf sich. Sie erkannte seinen Zauberstab aus dem harten, grünen Metall, das man Strup nannte, und das bedrohliche Glitzern des Giftsteins, der in seine Spitze eingebettet war.
    Dieses Mal konnte sie nicht wie zuvor einen gestohlenen Zauberstab gegen ihn verwenden. Aber sie besaß eine Waffe, die sich vielleicht als noch stärker erweisen würde. Während sie aufs Schlachtfeld schritt, hob sie die Hände, löste das Band um ihre langen, dicken Zöpfe und ließ ihr Haar offen in weichen Wellen über Schultern und Rücken fallen – so, wie sie es in ihren verborgenen Erinnerungen bei ihrer Mutter gesehen hatte.
    Sie wollte Raths Männer vor den Qualen dieser niederträchtigen Zauberstäbe bewahren und ihren Teil zu einem schnellen Sieg über die Han beitragen. Doch es ging um mehr als nur das. Maura musste den Todesmagier wissen lassen, dass sie Bescheid wusste über ihre schmähliche Verbindung.
    Maura trat auf den Todesmagier zu, der zunächst gar nicht auf sie achtete. Vielleicht konzentrierte er sich zu sehr auf sein Opfer, dessen Schreie Maura in den Ohren gellten und sie drängten, den Qualen des Mannes ein Ende zu bereiten. Vielleicht aber konnte er sich auch einfach nicht vorstellen, dass jemand so dumm war, sich ihm zu nähern, wo er seinen Stab doch nur um ein paar Zentimeter zur Seite schwenken musste, um denjenigen seine Dummheit bitter bereuen zu lassen. Oder war es möglich, dass er sie aus den Augenwinkeln erspähte, aber fürchtete, sie wäre wieder nur ein Streich, den ihm sein Verstand spielte?
    “Pravash!”, rief sie. Das war der Begriff für Vater auf Hanisch. Auf Umbrisch hätte Maura ihn nicht so ansprechen können, das umbrische Wort für Vater war für immer mit Langbard verbunden.
    “Schau mich an, Vater! Und sieh, wen du mit Dareth Woodbury gezeugt hast.”
    Der Giftstein zitterte und senkte sich ein wenig. Die Schreie in Mauras Rücken hörten auf. Der Magier schüttelte verneinend das Haupt mit der schwarzen Kapuze. Der harte, grausame Mund bewegte sich. Doch was immer er auch sagte, die Worte waren zu leise, als dass Maura sie

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