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Das Orakel von Margyle

Das Orakel von Margyle

Titel: Das Orakel von Margyle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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bis jetzt noch nicht zu spüren bekommen hatten.
    Ein lautes Heulen in seiner Nähe schreckte Newlyn auf, und fast hätte er seinen Stab fallen lassen. Ein großer Mann – seinem Kopfputz nach zu urteilen kam er aus der Südmark – zuckte und zitterte wie eine der hölzernen Tanzpuppen, die Newlyn seinen Söhnen geschnitzt hatte. Blut schoss ihm aus der Nase und rann aus seinen Mundwinkeln, während er schrie. Um ihn herum wichen alle zurück, aus Angst, der ungnädige Zauberstab des Todesmagiers könnte auch sie zum Ziel auswählen.
    Newlyn fiel nichts Besseres ein, als seinen Schäferstab auszustrecken und dem Mann ein Bein zu stellen, damit er umfiel. Sobald er stürzte, hörte das Schreien auf … und das Wimmern eines anderen Rebellen begann.
    Newlyn packte den Südmarker, der immer noch blutete, aber am Leben war, und lehnte ihn an einen Felsen, wo er nicht so leicht niedergetrampelt werden konnte. Als Newlyn aufblickte, sah er, wie mehr und mehr Rebellen über den Kamm des Hügels marschierten, um mit dem schreienden, kochenden Chaos auf dieser Seite zu verschmelzen.
    Dann schrie der Reiter oben auf dem Kamm wieder: “Nach Aldwood! Attacke!”
    So verrückt der Befehl auch schien, als Newlyn ihn hörte, wusste er, dass dies ihre einzige Hoffnung war. Ein Pfeil zischte an seinem Ohr vorbei und er hörte einen Schmerzensschrei hinter sich. Doch er blickte nicht zurück. Stattdessen duckte er sich und lief im Zickzack weiter in der Hoffnung, dass er dadurch nicht so leicht getroffen werden könnte.
    Dann befand er sich plötzlich unter einigen Männern, die die Schwerthiebe der hanischen Reiter abwehrten. Einer schrie auf und fiel blutend um. Ein anderer geriet unter die wirbelnden Hufe eines sich aufbäumenden Pferdes.
    Als der hanische Reiter mit der einen Hand die Zügel packte und mit dem Schwert in der anderen zum Schlag ausholte, hakte Newlyn ihm den Hirtenstab um den Hals und zog ihn halb aus dem Sattel. Um Halt kämpfend, ließ der Han sein Schwert fallen. Ein junger Rebell hob es auf und holte zum Schlag aus. Zwei andere sprangen hinzu und zerrten den Han an seinem dicken, weißgoldenen Haar zu Boden.
    Newlyn packte das hanische Pferd am Zügel und sprang in den Sattel. Beruhigend klopfte er dem Tier den Hals. “Ich verspreche dir, wenn wir hier lebend herauskommen, reite ich mit dir nach Hause und spanne dich dort vor einen hübschen, friedlichen Pflug.”
    Vielleicht war es der Ton seiner Stimme oder sein beruhigendes Tätscheln. Vielleicht aber verstand das Tier auch auf wundersame Art, was er sagte, denn es wurde ruhiger und reagierte, als er am Zügel zog. Er wendete und ritt davon. Etwas entfernt hielt er sein Pferd an, um sich zu orientieren und um zu sehen, wo er am wirkungsvollsten in den Kampf eingreifen konnte. Und dann, den Hirtenstab wie eine kurze Lanze haltend, warf er sich wieder ins Getümmel, hieb hanische Klingen beiseite und Reiter aus dem Sattel.
    Seine Anstrengungen schienen den anderen Rebellen Mut zu machen. Immer mehr von ihnen warfen sich auf die hanischen Reiter, die langsam zurückwichen und sich an den Waldrand zurückzogen. An einigen Stellen brachen die Aufständigen durch die dünner werdenden Reihen und verschwanden im Schutz der Bäume.
    “Wir könnten es doch schaffen”, murmelte Newlyn und ließ seinen Hirtenstab auf die Schwerthand eines hanischen Reiters niedersausen.
    Dann jagte ein lähmender Schmerz durch seinen Körper, schlimmer als alles, was er je erlebt hatte. Ein Schrei brach aus seiner Kehle, und wie der Schmerz schien er kein Ende nehmen zu wollen. Im Stillen flehte Newlyn das Pferd an, es möge ihn abwerfen, damit er sich das Genick brach und die Qual ein Ende hatte. Jetzt war sowieso alles egal. Alles war verloren. Er sah, wie aus Aldwood ein Schwarm schwer bewaffneter Gesetzloser stürmte, um den Rebellen den Weg zu versperren.
    Dann, so schnell wie er ihn gepackt hatte, ließ der Schmerz ihn wieder aus seinen Klauen. Newlyn hatte gerade noch genug Kraft, sich über den Hals seines Pferdes zu werfen und einem Schwertstreich auszuweichen, der ihm den Kopf abschlagen sollte. Noch einen Augenblick zuvor hätte er den Schlag willkommen geheißen. Nun klammerte er sich ans Leben.
    Denn die Gesetzlosen von Aldwood hatten den Rebellen gar nicht den Weg versperrt. Stattdessen griffen sie die hanischen Reiter von hinten an. Getragen von einer warmen Welle der Hoffnung, richtete Newlyn sich hoch im Sattel auf und jubelte. “Vorwärts!”, schrie er.

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