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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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das hier das Hauptkommissariat ist, das ist alles.«
    »Und weiter?«
    »Das werden Sie beurteilen. Es handelt sich um eine Kleinigkeit, die mir zu schaffen macht. Ich hielt es für vernünftiger, Sie darüber zu informieren. Suchen Sie nicht nach mehr.«
    »Ich suche, wo es mir gefällt. Warum haben Sie nicht bei einem meiner Männer ausgesagt?«
    »Sie hätten die Sache nicht in Betracht gezogen.«
    »Welche Sache?«
    Louis legte sein Sandwich direkt auf den Tisch des Kommissars und durchsuchte langsam seine Taschen. Er zog ein zusammengeknülltes Stück Zeitungspapier hervor, das er behutsam vor seiner Nase auseinanderfaltete.
    »Vorsicht«, sagte er, »es stinkt.«
    Paquelin beugte sich zögernd über den Gegenstand.
    »Was ist das für ein Dreck?«
    »Genau das habe ich mich gefragt, als ich es fand.«
    »Machen Sie das immer so, daß Sie allen Müll der Welt aufsammeln, um ihn in den Kommissariaten abzugeben?«
    »Ich tue meine Pflicht, Paquelin. Als Bürger.«
    »Man redet mich mit Herr Kommissar an, und das wissen Sie. Ihre Provokationen sind lächerlich und kümmerlich anzusehen. Also, was ist mit diesem Dreck?«
    »Sie sehen es genausogut wie ich. Das ist ein Knochen.«
    Paquelin beugte sich näher über das Bündel. Das kleine Stück Abfall war zernagt, zersetzt, von Dutzenden nadelfeinen Löchern durchbohrt und leicht gelblichrot. Knochen hatte er schon viele gesehen, aber das hier, nein, der Kerl führte einen an der Nase herum.
    »Das ist kein Knochen. Was spielen Sie hier?«
    »Es ist ernst, Kommissar. Ich glaube, es ist ein Knochen, und zwar ein menschlicher Knochen. Also bin ich hergekommen, um mich zu erkundigen, um zu erfahren, ob das Arbeit für Sie ist, ob im Viertel jemand vermißt gemeldet wurde. Das Teil kommt von der Place de la Contrescarpe. Denn sehen Sie, vielleicht hat es ein Verbrechen gegeben, da ich ja den Knochen habe.«
    »Mein Freund, ich habe schon einige Knochen in meiner Laufbahn gesehen«, sagte Paquelin mit spitzer werdender Stimme. »Verbrannte, zerquetschte, verkohlte. Und das hier ist kein menschlicher Knochen, das sage ich Ihnen.«
    Paquelin nahm die Kleinigkeit in seine große Hand und streckte sie Kehlweiler hin.
    »Sie brauchen das doch nur mal in der Hand zu wiegen … das ist hohl, das ist leer, das ist Luft. Knochen sind schwerer. Sie können wieder einpacken.«
    »Ich weiß, ich habe es gewogen. Aber es wäre klug, es zu überprüfen. Eine kleine Analyse … ein Bericht …«
    Paquelin schaukelte hin und her, fuhr sich mit einer Hand durch sein helles Haar. Stimmt, er wäre wirklich ein schöner Mann gewesen ohne diesen abscheulichen, saturierten Mund.
    »Ich verstehe …«, sagte er. »Sie wollen mich in die Enge treiben, Granville, oder wer auch immer Sie sind. Man zwingt mich zu einer idiotischen Untersuchung, man macht mich lächerlich, man gönnt sich einen Artikel in der Presse, man führt einen Bullen vor … Schlecht gemacht, mein Freund. Die dumme Provokation, die Kröte, das kleine Geheimnis, die grobe Farce, das Groteske, das Vaudeville. Lassen Sie sich was anderes einfallen. Sie sind nicht der erste und auch nicht der letzte, der versucht, mich hereinzulegen. Und ich bin immer noch am Ruder. Verstanden?«
    »Ich beharre darauf, Kommissar. Ich möchte wissen, ob im Viertel jemand verschwunden ist. Vor kurzem, gestern, letzte Woche, letzten Monat. Ich würde eher auf gestern oder vorgestern tippen.«
    »Pech für Sie, alles ist ruhig.«
    »Vielleicht ist jemand verschwunden, und es wurde noch nicht gemeldet? Die Leute trödeln manchmal. Ich müßte nächste Woche wiederkommen, um es zu erfahren.«
    »Und was noch? Wollen Sie unsere internen Berichte?«
    »Warum nicht?« fragte Kehlweiler achselzuckend.
    Er knüllte das Zeitungspapier wieder zusammen und stopfte es in seine Tasche.
    »Also definitiv nein? Es interessiert Sie nicht? Nun, Paquelin, ich finde Sie ziemlich nachlässig.«
    »Jetzt reicht’s!« sagte Paquelin und stand auf.
    Kehlweiler lächelte. Endlich begann der Kommissar, auszurasten.
    »Lanquetot, wirf ihn in die Zelle!« murmelte Paquelin. »Und sorg dafür, daß er ausspuckt, wer er ist.«
    »Oh, nein«, entgegnete Kehlweiler. »Nicht in die Zelle. Das ist unmöglich, ich bin heute abend eingeladen, ich habe eine Verabredung zum Abendessen.«
    »In die Zelle«, wiederholte Paquelin mit einer kurzen Handbewegung in Richtung Lanquetot.
    Lanquetot war aufgestanden.
    »Erlauben Sie?« fragte Kehlweiler. »Ich rufe meine Frau an, um ihr

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