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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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wobei er sein steifes Bein etwas nachzog, weil er zuviel gelaufen war, und ließ sich auf den Sitz neben ihr fallen.
    »Na, meine Liebe, noch nicht nach Hause gegangen?«
    »Ach, Ludwig, du kommst ja gerade recht, hättest du vielleicht ’ne Kippe?«
    »Was machst du hier?«
    »Ich bin rumgebummelt, weißt du. Ich wollte gerade wieder los.«
    Louis gab ihr Feuer.
    »Einen guten Tag gehabt?« fragte Marthe.
    »Ich habe vier Bullen auf einmal genervt, davon drei, die nichts dafür konnten. Ich rechne damit, sie zu überholen und zwar mit ihrer Einwilligung.«
    Marthe seufzte.
    »Na gut«, sagte Louis. »Ich war mittelmäßig, angeberisch, ich habe sie verhöhnt und ein bißchen gedemütigt. Aber es war amüsant, was willst du, es war so amüsant.«
    »Hast du das Spiel mit den Ahnen gespielt?«
    »Natürlich.«
    »Im nächsten Leben müßtest du mal dran denken, ein paar Sachen zu korrigieren. Du mußt dich amüsieren können, ohne daß es irgendein anderer abkriegt.«
    »Im nächsten Leben, meine liebe Marthe, müßte man große Bauarbeiten durchführen. Erneuerung der Fundamente, Rohbau, neuer Verputz. Glaubst du an ein nächstes Leben?«
    »Nicht im geringsten.«
    »Ich wollte Paquelin in die Enge treiben, damit er einen Fehler begeht, dazu mußte ich doch über die anderen klettern, um in sein Büro zu kommen.«
    O.k. sagte sich Louis, einverstanden, man würde nicht die ganze Nacht bei dem Thema bleiben, und er hatte sich ohne große Mühe gut amüsiert. Mit Leuten wie Paquelin gab es wenig Spielraum.
    »Hast du’s wenigstens geschafft?«
    »Ganz gut.«
    »Ist Paquelin dieser hübsche Junge, blond, schmächtig und ein richtiger Giftzwerg?«
    »Genau der. Ohrfeigt die Mädchen und haut den Festgenommenen in die Eier.«
    »Gut, ich vermute, daß du ihn nicht in Stücke gehauen hast. Was willst du mit ihm machen?«
    »Er soll da verschwinden, das ist alles, was ich will.«
    »Du hast nicht mehr die Möglichkeiten wie früher, Ludwig, vergiß das nicht. Aber gut, das ist deine Sache. Vincent hat den Kerl von der 102 fotografiert und ihn verfolgt.«
    »Ich weiß.«
    »Dir kann man wohl überhaupt nichts Neues sagen? Ich liefere gern Informationen.«
    »Ich hör dir zu. Informier mich.«
    »Nun, das war’s. Ich hab dir alles gesagt.«
    »Und über deine Bude hast du mir auch alles gesagt?«
    »Was mischst du dich da ein?«
    Marthe sah Kehlweiler an. Dieser Typ war der reinste Fliegenfänger. Alle Informationen blieben an ihm kleben, ohne daß er auch nur den kleinen Finger rühren mußte. Genau so einer war das, jeder kam zu ihm und erzählte ihm seinen Kram. Auf Dauer war das unerträglich.
    »Nimm zum Beispiel eine Fliege«, sagte Marthe.
    »Ja?«
    »Nein, laß sein.«
    Marthe stützte ihr Kinn wieder in die Hände. Die Fliege denkt, daß sie in aller Ruhe das Zimmer durchquert, ohne bemerkt zu werden. Sie fliegt geradewegs auf Ludwig zu und bleibt dort kleben. Ludwig zieht behutsam seine Informationen aus ihr, Dankeschön, und läßt sie wieder frei. Er war derart fliegenfängerartig, daß er seinen Beruf daraus gemacht hatte, ja daß er gar nichts anderes mehr konnte. Zum Beispiel eine Lampe reparieren – sinnlos, ihn darum zu bitten, dazu war er absolut unfähig. Nein, sein Können war Wissen. Seine Große Armee erzählte ihm alles, was sich ereignete, von den unbedeutendsten bis zu höchst gewichtigen Belanglosigkeiten, und wenn man einmal in diesem Wirbel drin war, war es schwierig, wieder herauszukommen.
    Ludwig sagte immer, man solle eine Belanglosigkeit nie nach ihrem Aussehen beurteilen. Man wisse nie, ob sie eine andere verberge. Und seine Berufung bestand darin, das herauszufinden, wenn die Sache es wert war. Warum diese Besessenheit, das war ein Rätsel. Obwohl Marthe schon ihre Ansichten dazu hatte. Bis zu seinem letzten Atemzug würde Louis Exterminatoren verfolgen. Ja, aber mit ihrer Bude, was ging ihn das an? Schließlich hat man seinen Stolz. Sie hatte sich gesagt, daß sie eine Lösung finden würde, und jetzt war nicht nur keine Lösung in Sicht, sondern auch Ludwig wußte Bescheid. Wer hatte es ihm erzählt? Wer? Bestimmt wieder irgendeiner aus seiner Armee von Pennern.
    Marthe zuckte mit den Achseln. Sie beobachtete Louis, der geduldig wartete. Von weitem hätte niemand irgendwas Besonderes über ihn gesagt. Aber von nahem, sagen wir aus achtzig Zentimeter Entfernung, begann alles zu schwanken. Da brauchte man nicht lange zu fragen, um zu wissen, warum alle zu ihm kamen und ihm alles

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